Auf dem Kirchenschiff in Brandenburg. Wir haben in einer Glasschüssel kleine aufgerollte Sinnsprüche. Zielstrebig steuert eine Frau auf uns zu: „Ich hätte gern so ein Los. Was kann man denn hier gewinnen?“ Kurzes Stutzen unsererseits: „Im Idealfall das Himmelreich!“ Die Frau, ungläubig dreinschauend: „Das Himmelreich? Äh, … dann nehme ich für meine beiden Bekannten mal auch gleich was mit!“ und greift beherzt in die Glasschale.
Ähnlich ungläubig schaut wenig später nach der Mittagsandacht ein älterer Herr auf seinen Sinnspruch. Er liest. Schaut mit großen Augen. Liest nochmal. „Das ist jetzt nicht wahr, oder?“ Besorgte Blicke unsererseits, was jetzt wohl kommt? „Den Spruch hatte ich schon mal! Eine Mitpatientin aus der Kur hat ihn mir gegeben, weil sie meinte, er treffe auf mich zu! Das war 1990. Den Spruch trage ich noch immer bei mir.“ Er wühlt kurz in seinem Portemonnaie und zieht tatsächlich ein winziges, vergilbtes, leicht eingerissenes Zettelchen mit verblasster Schrift heraus. Fast schon ehrfürchtig steckt er das neue kleine Papierstück zusammen mit dem alten in die Geldbörse zurück, bevor er sich kopfschüttelnd zum Gehen wendet. Lächelnd.
Das Schiff singt
Tags darauf. Zwei alte Damen betreten das Schiff. Nehmen Platz. Schauen sich um. „Schön ist es hier.“ Es folgt ein kurzes Gespräch. Unvermittelt fragt eine der beiden: „Wollen wir was singen?“ Irritierte Blicke der Umstehenden, was die Frau jedoch nicht anficht. Unverdrossen stimmt sie das Lied: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ an – und alle stimmen mit ein.
Bereits am ersten Tag werden wir Zeuge einer spontanen Gesangseinlage, denn eine Frau, die mit ihrem Ehemann das Schiff betritt, bemerkt zufrieden: „Gute Idee, so ein Schiff. Und das passt ja auch so schön. Da gibt es doch dieses Lied.“ Sie holt tief Luft – und singt „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ – alle Strophen, fast unfallfrei. Nur auf die letzten paar Meter gerät das Schiff textmäßig ein wenig ins Wanken.
Doch eine kleine „Gemeinde“ versammelt sich tatsächlich täglich um 12 an Bord unseres Kirchenschiffes. Dann nämlich feiern wir eine kleine Andacht, die regelmäßig zwischen 20 und 37 Leute anzieht. „Wie hat Noah das bloß 40 Tage lang ausgehalten – so eine Enge?“, fragt ein Mann schmunzelnd, als er sich im Heck des Schiffes in den letzten noch freien Winkel quetscht.
Das Schiff sinkt (fast)
Doch so ganz kann unser Kirchenschiff mit dem biblischen Vorbild nicht mithalten, denn während Noah samt Familie und tierischem Gefolge vierzig Tage lang unversehrt über die Urflut schippert, schwächelt unser Schiff doch erheblich, als Dauerregen einsetzt und sich zunehmend Pfützen bilden, die das Ausmaß eines Gartenteiches annehmen.
Wie beruhigend, dass einige Kinder in den Tagen zuvor in unserer kids corner eine Flaschenpost mit einer frohen Bo(o)tschaft gestaltet hatten. SOS!