Wort-Perlen und Bilder-SchätzeEine Ausstellung nimmt die Besucher mit auf eine Reise durch die Welt der Psalmen

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Psalmen eröffnen Räume - unter diesem Motto haben die Bistümer Limburg, Mainz, Speyer, Trier die Wanderausstellung „Lebens.RaumPsalmen“ ins Leben gehoben, die Besuchern der Ausstellung fünf Psalmen-Räume präsentiert, in denen sie klagen und fluchen, singen und beten, Atem holen und Vertrauen fassen können.

Das Katholische Bibelwerk Berlin hat in Kooperation mit dem Erzbistum Berlin diese Ausstellung in die Spreemetropole geholt. Eröffnet wurde die Ausstellung am 10. September 2015 im Kathedralforum St. Hedwig, wo sie bis zum 8. Oktober 2015 und anschließend vom 10. Oktober bis zum 5. November 2015 in der Gemeinde St. Matthias in Schöneberg zu sehen sein wird.

Den Auftakt zu den begleitenden Gesprächsabenden gab Dr. Ulrich Kmiecik, der Leiter des Katholischen Bibelwerks Berlin, am Vorabend des 11. September 2015 mit einem herausfordernden Vortrag über den „Schrei nach Gerechtigkeit in den Psalmen“. Die oft nicht als fromm verstandene, ausdrucksstarke Bildersprache der Psalmen ist jedoch notwendig und in einer Welt voller Gewalt und Verfolgung, Angst und Not sogar unerlässlich, will sich der betende Mensch dem Schöpfer mit ganzem Herzen nähern. Gefährlich bliebe nur der stumme Schrei nach Liebe.

Je nach Gestimmtheit der Psalmen eröffnen sich dem Leser oder den gemeinsam Betenden helle oder eher dunkle, freie oder enge Räume. Was sich hinter diesen Raumvorstellungen verbirgt, wie diese Räume entstehen und wie sie sich ausspannen und nach Gott ausstrecken brachte Dipl.-Theol. Marlen Bunzel in ihrem Vortrag zu den „Raumbildern in den Psalmen“ am 23. September 2015 anschaulich zur Sprache. Mit dem hierzulande wohl bekanntesten Lied aus den König David zugeschriebenen Gesängen führte sie die Gäste der Ausstellung in den FREI.Raum ein - der Raum, der im ursprünglichen Sinn einen Raum zwischen Kulturland und Wüste beschreibt, in dem Nahrungsmangel und andere Gefahren für viele Menschen zur bitteren Wahrheit gehören. Doch „der Herr ist meine Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1) steht auf einem der zu besichtigenden Aufsteller geschrieben. Freien Fußes kann der Besucher der Ausstellung diesen Raum für sich erkunden und dann vielleicht dankbar mit einstimmen in den Lobgesang derer, die sich dieses Geschenkes bewusst geworden sind.

Denn dass wir Freiheit für uns alleine nicht lange genießen können, wird einem ganz schnell deutlich beim Gang durch die anderen Ausstellungsräume. Die Dichterin und Theologin Dorothee Sölle schrieb in ihren Texten, die den Himmel auf Erden suchen: „Die Psalmen sind für mich das wichtigste Lebensmittel. (…) Sie sind für mich wie Brot. Ohne sie tritt die spirituelle Magersucht ein, die sehr verbreitet unter uns ist und oft zu einer tödlichen Verarmung des Geistes und des Herzens führt.“ (In: „Erinnert Euch an den Regenbogen“, 1999.)

Die wohl wichtigste Aufgabe des Menschen bleibt die Versöhnung mit Gott, mit sich selbst und mit seinen Nächsten. Das unterstreicht die Ausstellung mit ihren Impulsen, ihren Vorträgen und Nachklängen eindrucksvoll. Das Bild im angrenzenden SOZIAL.Raum zum Beispiel wirft den Betrachter wieder auf sich selbst zurück, auf seine Ängste und Handlungen. Mit den Psalmen unterwegs zu sein bedeutet jedoch, sich des Lebens bewusst zu werden und der Freiheit Stimme zu verleihen, Unrecht anzuprangern und sich zu empören, wo die Lebendigkeit des Menschen nicht geachtet, seine Einzigartigkeit nicht wertgeschätzt oder gar sein Lebensraum bedroht ist. Deshalb werden hier sehr aktuelle Themen aufgegriffen. Gleichzeitig dient der Raum der Begegnung und lädt zum Austausch ein.

Ganz anders der KLANG.Raum. Er bietet jedem Einzelnen die Möglichkeit, sich mittendrin zurückzuziehen, seinen Gefühlen und Gedanken Raum zu geben. Eine kleine Bank lädt ein, die Bibel in die Hand zu nehmen, zu beten oder dort einfach nur Atem zu holen.

An solchen Orten wird mit der Stille auch eine Saite im Menschen angeschlagen, die den Beter zugleich die Sehnsucht nach einem Tempel Gottes spüren lässt. Nicht ohne Grund haben die Gottsuchenden oft solche Räume aufgesucht, um dort in Ruhe zu beten und zu hören.

Die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kathedralforums St. Hedwig haben sich spürbar mit Hingabe dieser Ausstellung gewidmet und die Ausstellung sogar um die angrenzenden Räume konzeptionell erweitert. Dieser kleinen Freiheit wurde ebenfalls am ersten Abend viel Lob und Aufmerksamkeit geschenkt. So liegen beispielsweise die 150 poetischen Texte der verschiedenen Gebets- und Liedersammlungen, welche die fünf Psalmenbücher beinhalten, gleich nebenan, sozusagen im Bücherraum, aus und können dort erworben werden.

Wer die Psalmen aus Sicht der jüdischen Kulturen und ihren reichen Traditionen heraus verstehen und würdigen lernen möchte, kann beim Gesprächsabend am 7. Oktober 2015 die „innere Architektur“ des Haus‘ des Lebens - wie die Psalmensammlung auch genannte wird - kennenlernen. Stark geprägt durch die Versöhnungsarbeit seiner Eltern im jüdisch-christlichen Dialog, ist der jüdische Theologe Dr. Yuval Lapide dafür bekannt, „Brücken“ aufzuzeigen zwischen der althebräisch-orientalischen Mentalität zur Zeit Davids, der jüdischen Alltags- und Feiertagsliturgie und der christlichen Liturgie. Durch so viele Lieder haben die Psalmen Einzug gehalten in die christliche Liturgie, vom Morgenlob über den Zwischengesang bis hin zum Taizé-Lied, nur, dass sie als solche leider viel zu wenig geschätzt werden.

Die Ausstellung stimmt nachdenklich und es gibt in ihr reichlich Wort-Perlen zu entdecken. Den „Rat“ von Wilhelm Brunners finden Sie dort auch. Er sei Ihnen vorab schon mit auf den Weg gegeben: „Verabschiede die Nacht / mit dem Sonnenhymnus / auch bei Nebel / hol dir die ersten Informationen / aus den Liedern Davids / dann höre die Nachrichten / und lies die Zeitung / beachte die Reihenfolge / wenn du die Kraft behalten willst / die Verhältnisse zu ändern“.