Innerhalb von zwei Tagen hat die Caritas in Berlin eine Unterkunft für 180 Ukraine-Flüchtlinge bereitgestellt. Möglich war das, weil zahlreiche Ehrenamtliche wie Moheeb Rahman Sharifi mit anpacken.
Die Situation forderte schnelles und entschlossenes Handeln: Auf Anfrage des Berliner Senats entstand innerhalb von zwei Tagen im ehemaligen Seniorenheim der Caritas-Altenhilfe in der Berliner Pappelallee eine Unterkunft für Ukrainer auf der Flucht.
Ebenso plötzlich erreichte das Thema auch Julia Endres (34). Innerhalb weniger Stunden musste sie entscheiden, ob sie die Leitung des Hauses übernimmt. Sie hat Erfahrung in der Leitung einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin Spandau und sagte zu. Die junge Frau ist froh, dass alles so gut angelaufen ist, denn momentan ist vieles gleichzeitig zu erledigen. Die zurzeit etwa 50 Bewohner müssen betreut, beköstigt und begleitet werden. Zugleich bedarf es der Sicherstellung von Material, Abläufen und Personal. Wenn die jetzigen Bewohner registriert sind, werden sie deutschlandweit verteilt.
Danach werden in der Pappelallee bis zu 180 Geflüchtete untergebracht, die registriert sind und in Berlin bleiben. Sie haben Anspruch auf Sozialhilfe und Krankenversicherung. Julia Endres bekommt dann Verstärkung durch Übersetzer, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte. Schon jetzt helfen auch viele hoch motivierte Ehrenamtliche bei der Betreuung. Zu denen, die sich freiwillig um die vornehmlich Frauen und Kinder kümmern und auf den sich die Einrichtungsleiterin fest verlassen kann, gehört Moheeb Rahman Sharifi. Der 27-Jährige kam im Sommer 2016 als Flüchtling aus Afghanistan nach Berlin. Er weiß, wie es sich anfühlt, Heimat und Familie zu verlassen.
Helfer können auch von Hilfsbedürftigen lernen
Er hat Containerunterkünfte kennengelernt, in denen sich unzählige Menschen Sanitärräume teilen mussten und die im Sommer unerträglich heiß waren. Inzwischen lebt er in einer Wohngemeinschaft in Hellersdorf. Und ist voll des Lobes über die Unterkunft in der Pappelallee. Schöne Zimmer mit eigenem Bad, alles läuft ruhig und friedlich. Einzig, dass er kein russisch versteht, bedauert der junge Mann.
Er bereitet sich gerade auf sein Fachabitur vor und lernt englisch, doch das nutzt ihm hier kaum. In den vergangenen Tagen hat Moheeb eingekauft, Geflüchtete begleitet, bei der Essenverteilung geholfen. Es hat ihm trotz der Verständigungsprobleme großen Spaß gemacht. Kürzlich sind Waschmaschinen eingetroffen. Die ukrainischen Frauen können die Familienwäsche nun selbst reinigen. Moheeb hat Waschmittel herangekarrt und den Bewohnern gezeigt, wie die Maschinen funktionieren. Zum Glück lasse sich auf deren Displays die russische Sprache einstellen. Drei Waschautomaten stehen im hinteren Teil der ehemaligen Küche, dazwischen zwei Trockner.
Eine junge Frau redet auf Moheeb ein. Sie steht vor einer Waschpulver- Kiste. „Loschka“, sagt sie nachdrücklich und „Adin“. Sie hält mehrmals einen Finger hoch und nickt und dann zwei und schüttelt den Kopf. Moheeb ist ratlos, zückt sein Handy mit dem Übersetzungsprogramm. Olga, die junge Ukrainerin, die mit ihrer Tochter hier Schutz gefunden hat, spricht ins Gerät. „Was ist ein Messlöffel?“, fragt Moheeb laut. Jemand erklärt es ihm. „Aha, sowas haben wir nicht“, ist sich der junge Mann sicher. Er glaubt, seine „Waschstraße“ zu kennen, Messlöffel sind nicht dabei. Doch Olga zeigt ihm, dass unter dem Waschpulver ein Messlöffel vergraben ist und eine Füllung pro Maschinenladung ausreicht. Am Ende lachen beide, der Spartipp ist hilfreich, und auch der Helfer hat etwas dazu gelernt.
Erstaunlich, wie geordnet und friedlich der Alltag in der Pappelallee abläuft. Ein Security-Dienst sorgt für die Sicherheit. Ehrenamtliche in roten und gelben Westen stellen das von einem Caterer herangeschaffte Mittagessen im Speisesaal zum Buffet auf.
Die Helfer in Gelb verstehen oder sprechen russisch, die Rotgekleideten nicht. Doch man ahnt überall, dass die Ruhe nur oberflächlich ist: Oft stehen die ukrainischen Frauen beisammen, reden leise, während ihre Kinder spielen. Für sie gibt es im Hof Platz und auf jeder Etage des Hauses ein eingerichtetes Spielzimmer. Die Sorge um ihre Männer, Väter, Söhne oder Brüder kann den Frauen niemand abnehmen.
„Zurückgeben, was ich selbst empfangen habe“
Was die Helfer in der Pappelallee tun können, ist, den Ukrainern bestmögliche Bedingungen für ihren Aufenthalt hier zu schaffen. Julia Endres sieht Unterschiede zur Flüchtlingssituation von 2015: „Die Hilfsbereitschaft der Kirchengemeinden und Nachbarn ist überwältigend groß“. Weil schon zwei Räume mit Hilfsgütern gefüllt sind, verkündet ein Schild an der Tür auf Deutsch und Russisch, dass erstmal keine mehr nötig ist. Julia Endres ist froh über die Ehrenamtler, ohne die es nicht ginge. Moheeb findet es gut und folgerichtig, etwas von dem zurückzugeben, das er einst selbst empfangen hat. Beruflich hat er sich lange orientiert: Nach dem Abi will er Sozialarbeit studieren.