Eine moderne Ikone ist den Märtyrern aller Konfessionen gewidmet, die im 20. und 21. Jahrhundert für ihren Glauben starben.
In einer Gefängniszelle in Rumänien sitzen orthodoxe, evangelische und katholische Christen, mit einzelnen Seiten der Bibel in der Hand. Sie haben sie unter sich aufgeteilt und lernen sie auswendig, um für die kommende Notlage gewappnet zu sein. Denn man wird sie töten.
Diese Szene ist, neben anderen, auf der Ikone zu sehen, die am vergangenen Dienstagabend den Altar der Berliner Kirche Heilige Familie schmückte. Man wollte sich während einer Gebetswache an jene erinnern, die im vergangenen Jahrhundert und in den letzten Jahren für ihren Glauben und für den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit als Christen zu Tode gekommen waren. Dazu eingeladen hatte die Berliner Sektion der Gemeinschaft Sant’Egidio, die sich weltweit für sozial Benachteiligte, interreligiöse und interkulturelle Verständigung und in der Friedensvermittlung in Bürgerkriegsgegenden engagiert.
Um den Altar standen Vasen mit Ölzweigen und kleine Olivenbäume – eine Anspielung an die Gethsemane-Szene auf dem Ölberg und somit an die Versuchung zur Flucht, zur Aufgabe angesichts der tödlichen Bedrohung.
Der Tod derjenigen, die standgehalten haben, wurde nach einem Wort des frühchristlichen Theologen Tertullian zum Samen für das Entstehen neuer Christen, wie der emeritierte Weihbischof Wolfgang Weider in seiner Predigt hervorhob. Er wies darauf hin, dass das erlittene Martyrium insbesondere im vergangenen Jahrhundert immer wieder Christen unterschiedlicher Konfessionen verbunden hat. Der Ökumenismus der Märtyrer spreche „lauter als die Fakten der Trennung“, sagte er, denn die Verfolgung habe diese Menschen „an den Orten des Schmerzes vereint“. Für jede Großregion, in der Märtyrer starben, wurde ein Kreuz vor den Altar getragen mit der Bitte, „dass es von der Auferstehung erleuchtet werde“.
Die Namen der Märtyrer wurden genannt, ihr Alter, Ort und Umstand ihres Todes. Da ist zum Beispiel die 20-jährige Sharafat Bibi, die Kinder in Pakistan medizinisch betreute oder der protestantische Pfarrer Irianto Kongkoli in Indonesien, der Christen anderer Konfessionen beschützte. Da ist der Baptistenpastor Pierre Severin in der Zentralafrikanischen Republik, der obdachlose Russe Vladimir Zaporozhez, der Gläubige vor Rechtsextremisten schützen wollte, der 84 Jahre alte Priester José Ancizar Mejia Palomino, Kaplan in einem Waisenhaus in Kolumbien. Und als letztes bisher bekanntes Opfer der 75-jährige Jesuit Frans van der Lugt, getötet im syrischen Homs am 7. April dieses Jahres, wo er sich fast 50 Jahre lang für die Versöhnung zwischen Muslimen und Christen eingesetzt hatte.
Sie und ihre Leidensgefährten wurden gefoltert, erschlagen, von Bomben zerfetzt, erschossen und erstochen. Die Täter waren unter anderem Mitglieder aus Drogenund Jugendbanden, Soldaten brutaler Regime und fanatische Anhänger anderer Religionen. Schätzungen besagen, dass alle fünf Minuten ein Christ ermordet wird. Christen sind somit weltweit die größte, derzeit in 69 Ländern, verfolgte Menschengruppe.
Wichtiger als die Zahl ist jedoch das Zeugnis des Glaubens, denn Märtyrer sind Leidensgefährten dessen, der ihnen beim Tragen ihres Kreuzes vorangegangen ist.