Anlaufstelle für Abgehängte

Das Café im CARIsatt-Laden ist zugleich eine psychosoziale Begegnungsstätte. Es dient als Brücke zur Allgemeinen Sozialen Beratung, die ebenfalls im Haus angesiedelt ist. | Fotos: Alfred Herrmann

Grenzüberschreitend: Die Caritas des Erzbistums Hamburg betreibt in Demmin einen CARIsatt-Laden. Doch in der Begegnungsstätte geht es nicht nur um das leibliche, sondern auch um das seelische Wohl.

„Geldsorgen, fehlende Arbeit, das ist in Demmin schlimm. Meist trifft es Ältere, so wie mich.“ Peter Dreßler trinkt im Café des CARIsatt-Ladens zum Mittag einen Pott Kaffee und isst einen Pfannkuchen, kunstvoll gerollt und mit Himbeer-Gelee gefüllt. Keine 1,50 Euro hat er für beides bezahlt.

In der Regel kommt der 59-Jährige gegen 9 Uhr in den Laden. Heute war er etwas früher dran, um mit rauszufahren: neue Ware abholen. Dreßler arbeitet ehrenamtlich in der katholischen Hilfseinrichtung mit. „Man ist unter Leuten, zuhause verblödet man allein“, weiß er, „hier kann man helfen, seine Erfahrungen einbringen“. Mit Kirche hat der Arbeitslose eigentlich nichts zu tun. Aber wenn der Laden der Caritas etwas mit der örtlichen Pfarrei Maria Rosenkranzkönigin unternimmt, kommt auch er.

Da am Montag der Monatserste ist, bleiben an diesem Freitag die Kunden bis auf wenige aus. „Man merkt, wenn das Geld zu Ende geht, da ebbt das ab“, weiß Dreßler. Dabei kann sich das Angebot in den Regalen im Nachbarraum sehen lassen: Nudeln, Eier, Konserven, Brot, Saft, eingeschweißte Wurstenden, Reinigungsmittel. Alles kostet nur halb so viel, wie in den regulären Geschäften der Stadt. „Wir bekommen unsere Ware in der Regel direkt von den Herstellern“, erklärt Nora Tschötschel. „Ware, die nicht in die Supermärkte kann, weil zum Beispiel die korrekte Füllmenge nicht erreicht ist oder die Dosen Dellen haben.“

Da sein, wenn Menschen Hilfe brauchen

Die 33-jährige Sozialarbeiterin leitet die Einrichtung, zu der neben dem CARIsatt-Laden und dem Café, das als psychosoziale Begegnungsstätte dient, auch eine Allgemeine Soziale Beratungsstelle zählt. „Viele, die zu mir in die Beratung kommen, wissen durch Laden und Café, dass sie hier jemanden finden, der ihnen helfen kann.“ Die Kunden wie die Beratungsklienten sind arm: Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener, Alleinerziehende. Tschötschel lädt daher besonders sie ein: „Wir sind für alle da, die jeden Cent umdrehen müssen.“

Und davon gibt es in Demmin viele. Mit rund 13 Prozent zählt die Stadt in Vorpommern bis heute zu den Orten in Deutschland mit der höchsten Arbeitslosenquote. 36 Prozent der rund 11 000 Einwohner sind über 65 Jahre alt, nur 15 Prozent unter 18. Seit der Wende sinkt die Zahl der Bewohner in der strukturschwachen Stadt kontinuierlich. „Die Menschen sind hier ein Stück weit abgehängt und finden nur selten eine adäquate Anstellung“, weiß Thomas Witkowski. „Not sehen und handeln, das haben wir uns auf die Fahne geschrieben und daher sind wir hier in Demmin mit unserem Angebot genau richtig.“ Der 42-Jährige erklärt das Prinzip des CARIsatt-Ladens, das sich am christlichen Menschenbild orientiert: „Wir nehmen alle, die zu uns kommen, als Kunden und nicht als Bittsteller wahr. Jeder kann sich im Laden das aussuchen, was er braucht.“

Witkowski leitet die Region Neubrandenburg im Caritasverband für das Erzbistum Hamburg. Vor knapp zwei Jahren, als die Berliner Caritas seine Seniorenbegegnungsstätte in Demmin schloss, zeigte Witkowski sofort Initiative. Selbst in dieser Stadt aufgewachsen und wohnhaft, kennt er den dringenden Bedarf. Daher engagiert sich nun auf dem Terrain des Erzbistums Berlin der Caritasverband des Nachbarbistums – ein Novum. Ein weiterer ausschlaggebender Grund: Die Caritas-Region Neubrandenburg erstreckt sich auf den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, der, doppelt so groß wie das Saarland, an seinem nordöstlichen Rand bistumsgrenzüberschreitend auch Demmin umfasst.

Ein Ort kirchlichen Lebens

Die Caritaseinrichtung in dem Einfamilienhaus in der Beethovenstraße sieht sich als einen Ort kirchlichen Lebens in der Pfarrei. „Wir verstehen uns als Kirche, wollen uns daher beteiligen und in der Gemeinde sichtbar sein“, betont Witkowski. „Das gab es hier viele Jahre nicht so intensiv, daher bemühen wir uns um wachsendes Verständnis, dass Kirchengemeinde und Caritas zusammengehören.“

Ob ihre feierliche Einweihung mit Gottesdienst oder die Aktion „Eine Million Sterne“ in und vor der Pfarrkirche oder die feste Präsenz beim Pfarrfest, die Caritas- Einrichtung bringt sich vielfach ein. Auch von Seiten der Pfarrei entwickelt sich langsam ein Miteinander. So spendete die Gemeinde die Erntedankgaben an den CARIsatt-Laden. „Worüber wir uns sehr freuen, das sind Frauen aus der Gemeinde, die für unser Café regelmäßig Kuchen backen“, fügt Tschötschel hinzu. Sie hofft, dass sich die Brücke zur Pfarrei weiter ausprägt und sich vielleicht sogar Ehrenamtliche finden, die sich wie der konfessionslose Dreßler im katholischen CARIsatt-Laden engagieren.