Bis Ende 2022 können Familien eine Corona-Auszeit fast ganz auf Kosten des Staates nehmen, auch in christlichen Häusern. Anja Goritzka war mit ihrer Familie im St. Otto-Heim Zinnowitz.
„Ich will hier bleiben. Können wir bitte zurückfahren?“, ruft meine siebenjährige Tochter, während wir uns im Stau von der Ostseeinsel Usedom herunterbewegen und ihr 15-jähriger Bruder an mich gelehnt selig schläft. Die fünf Kinder sind glücklich und wir als Familie gestärkt für den Alltag nach sechs Tagen auf Usedom, unserer Corona-Auszeit für Familien.
Zum Ausgleich für zwei Jahre Pandemie. Zwei Jahre mit Lockdowns, Tage ohne Kita, abgesagtem Vereinssport, mit „Home-Schooling“ und „Home-Office“, ohne Sommerurlaub, weder 2020 noch 2021. Zwei Jahre, in denen wir auch Persönliches stemmen mussten, sowohl bei den Kindern als auch bei mir: Im März 2021 trat ich auf die Notbremse, war aufgrund von Depressionen in Behandlung und lebte sechs Wochen nicht bei meiner Familie. Meine Kinder konnte ich nur über Videotelefonate sehen. Es musste sein, denn nur psychisch gesund können wir für unsere Kinder (vier, sechs, sieben, 13 und 15 Jahre) wirklich da sein, Großfamilienleben, Job, Haushalt und Co. in den zehrenden Wochen stemmen.
Übernahme von 90 Prozent der Kosten
Im Herbst las mein Mann von einem Angebot der Bundesregierung: Corona-Auszeit für Familien. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernimmt seit Anfang Oktober 2021 und im Jahr 2022 für einen Urlaub von bis zu einer Woche in einer Familienerholungseinrichtung 90 Prozent der Kosten für Familien mit mittleren und kleinen Einkommen. Im Förderprogramm stehen bis Ende 2022 insgesamt 50 Millionen Euro aus dem Corona-Aufholprogramm der Bundesregierung bereit.
Damit man Urlaub in so einer Einrichtung buchen darf, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Der Hauptwohnsitz muss in Deutschland liegen und ein Anspruch auf Kindergeld bestehen. Außerdem müssen Familien nachweisen, dass ihr Einkommen unter einer bestimmten Grenze liegt oder sie Sozialleistungen beziehen. Zusätzlich darf ihr Vermögen einen bestimmten Wert nicht übersteigen.
Berechtigt sind aber auch Familien, bei denen ein mitreisendes Kind oder ein mitreisender Elternteil eine Behinderung mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent hat. Für diese Familien gelten die Einkommensgrenzen nicht.
Papierkram schreckt für gewöhnlich schnell ab. Aber uns war bewusst, dass wir diese Auszeit wirklich brauchen: Zeit nur mit den Kindern in einer Umgebung, die Ruhe ausstrahlt, gerne ein Ort, den die Kinder schon kennen.
Unsere Wahl fiel auf das katholische Haus für Begegnung und Familienferien St. Otto in Zinnowitz auf Usedom. Hier verbringen unsere größeren Kinder oft Religiöse Kinderwochen oder Tage. Das Gelände ist wunderbar ausgestattet mit Sporthalle, Kegelbahn, Tischtennisraum, großem Spielplatz mitten im Kiefernwald, ganz nah an der Ostsee.
In Mecklenburg-Vorpommern nehmen neben AWO-Einrichtungen wie beispielsweise in Zarfzow und Rerik auch die Christliche Gästehäuser GmbH auf Rügen, das katholische Ferienland Salem des Kolping-Werkes am Kummerower See und die evangelische Familienferienstätte Zingsthof am Programm teil. In Brandenburg machen unter anderem das Feriendorf Groß Väter See in Templin, das Kinderland Schorfheide und die Jugendherberge Wandlitz mit.
Unvergessliche Tage in Familie an der Ostsee
Wir stellten uns dem Ausfüllen der Unterlagen, was unkomplizierter war als gedacht. Innerhalb weniger Tage hatten wir die Zusage für unsere Auszeit über den Jahreswechsel. Dennoch bangten wir lange, ob alles klappen würde, denn seit zwei Jahren ist nichts wirklich planbar.
Eine Absage kam nicht. So reisten wir am 28. Dezember auf Usedom an und bezogen im Haus „Katharina“ unsere zwei Zimmer mit je zwei Doppelstockbetten und großem Bad. Zum Essen gingen wir morgens, mittags und abends ins Haupthaus, abends „besetzten“ wir schnell den Aufenthaltsraum auf unserem Gang.
Wir hatten unvergessliche Tage mit einer Nachtwanderung durch den Kiefernwald bis an den zugefrorenen Ostseestrand, einem Spaziergang zur Zinnowitzer Seebrücke, einem Kegelabend und einer Knicklichtparty an Silvester. Und mit viel Zeit für abendliche Brettspiele bei Süßem. Auch an einem Gottesdienst nahmen wir teil, hielten selbst eine kleine Weihnachtsandacht in der Kirche auf dem St. Otto-Gelände – mit den katholischen Gesangbüchern ist das sehr einfach möglich. Mit vielen schönen Erinnerungen im Gepäck fuhren wir nach sechs Tagen wieder nach Hause - gestärkt für das Jahr 2022.
Weitere Infos:
www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/corona-pandemie/corona-auszeit-fuer-familien