„Die Reformen zuerst“

Auf der Karte der Berliner Pastoralen Räume ein weißer Fleck: Die Pfarrei Heilige Familie im Prenzlauer Berg ist alleingeblieben. | Grafik: Erzbistum Berlin

Im ganzen Erzbistum bilden sich Pastorale Räume und machen sich auf den Weg zur neuen Pfarrei. Nur die Gemeinde Heilige Familie im Prenzlauer Berg ist allein geblieben. Warum? Und was wird nun aus ihr?

„Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht“, stimmt die Jugendschola an, „Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht“, setzt die Gottesdienstgemeinde ein. Wie jeden Sonntag zieht der letzte Abendgottesdienst im Berliner Nordosten zahlreiche Gläubige in die Pfarrkirche Heilige Familie in Prenzlauer Berg. Berufstätige, Familienausflügler, Langschläfer – die Gemeinde, die sich um 19 Uhr hier versammelt, strömt aus den umliegenden Pfarreien zusammen. Die schlichte Gestaltung und Prediger wie Pfarrer Michael Höhle oder Dominikanerpater Ulrich Engel schaffen eine besondere Atmosphäre der Offenheit und Weite.

Da verwundert es, dass Heilige Familie die einzige von 105 Pfarreien des Erzbistums Berlin ist, die im Rahmen des Pastoralen Prozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“ mit keinem ihrer Nachbarn zu einem Pastoralen Raum zusammengefunden hat. Heute wird die fast 7 500 Katholiken zählende Kirchengemeinde umgeben von den Pastoralen Räumen im Nordosten Berlins und Berlin Mitte sowie der neuen Pfarrei St. Elisabeth.

Im Grunde stehe die Pfarrei immer noch da, wo sie am Anfang des Pastoralen Prozesses stand, betont Angelika Plümpe. Die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats erklärt die Position der Pfarrei: „Wir sind weiterhin davon überzeugt: überschaubare Pfarreien sind das Modell der Zukunft – nicht fusionierte Megapfarreien.“ Sie verlangt zunächst fundamentale Reformen innerhalb der Kirche, spricht von verheirateten Priestern und bewährten Laien, die die Messe zelebrieren, von Diakonen und Diakoninnen, die eine Pfarrei leiten könnten. „Das sind alles Fragen, die zuerst beantwortet werden sollten, bevor man Fusionsprozesse angeht. Da sind die Bischöfe gefragt.“

 

Weder Sonderweg noch Einzellösung

Doch Erzbischof Heiner Koch hat entschieden, dass auch die Pfarrei Heilige Familie in einem Pastoralen Raum aufgehen wird. Bereits im Juni 2017 machte er dies in einem Brief deutlich. Es werde „keinen Sonderweg oder eine Einzellösung“ geben. Allerdings sei es notwendig, dass Heilige Familie zunächst einen eigenen Entwicklungsprozess gehe. So treffen sich nun regelmäßig Vertreter der Pfarrei und der Orte kirchlichen Lebens sowie die Prozessbegleitung „Wo Glauben Raum gewinnt“ des Erzbischöflichen Ordinariats, um sich intensiver kennenzulernen und stärker zu vernetzen.

„Wir kooperieren schon lange mit Heilige Familie, da zwei unserer Beratungsstellen in den Räumen der Pfarrei in der Dänenstraße angesiedelt sind“, erklärt Frank Petratschek, Caritas-Leiter der Region Berlin. Er vertritt mit dem neuen Bezirksbeauftragten für Pankow, Markus Gems, die Einrichtungen des Verbandes in der Runde. Mit Schuldner- und Allgemeiner Sozialer Beratung, Migrationsdienst und Betreuungsverein, Pflegheim und caridoo- Projektladen ist die Caritas in der Pfarrei stark vertreten. Auch Gems hat seinen Dienstsitz dort.

„Wir schärfen unseren sozialräumlichen Blick, fragen: Was brauchen die Menschen vor Ort?“, beschreibt Gems seine Zielrichtung in der Runde. Pankow sei der am stärksten wachsende Bezirk Berlins und Heilige Familie mittendrin. Als ein erstes Ergebnis führt er den Kontakt mit dem Augustinushaus an. Vom Kolping-Jugendwerk getragen, leben dort Auszubildende vornehmlich mit Migrationshintergrund. „Wir informieren vor Ort über unser Beratungsangebot, damit die Bewohner zu uns finden.“ Von der Pfarrei erhofft er sich Unterstützung, um zum Beispiel für die Schuldnerberatung zu sensibilisieren. „Meist kommen die Leute, wenn es zu spät ist. Ein rechtzeitiger Hinweis auf uns, vielleicht durch ein Gemeindemitglied, kann vielen helfen.“

Pater Max Cappabianca nimmt für die Katholische Studierendengemeinde an den Gesprächen teil. Diese hat zwar ihren Sitz in der Pfarrei, erstreckt sich aber mit ihrem Einzugsgebiet auf ganz Berlin. „Wir haben hier tolle Räume und fühlen uns sehr wohl. Die Pfarrei Heilige Familie zeigt sich uns gegenüber sehr entgegenkommend“, so der Studierendenseelsorger.

 

Wer nicht mitmacht, kann nicht mitgestalten

Auch Pater Max bewertet das Anliegen der Gesprächsrunde grundsätzlich positiv. „Man lernt die Angebote der anderen kennen, erfährt, was jeder so braucht.“ Was allerdings die Entwicklung im Pastoralen Prozess betrifft, bleibt er skeptisch. „Beide Seiten, Erzbistum und Pfarrei, sehen sich im Recht und lassen alles wie bisher weiterlaufen“, kritisiert der Dominikaner. „Wenn man nicht mitmacht, kann man nicht mitgestalten, egal in welchem Pastoralen Raum, weder sein eigenes Pfund einbringen noch Schwerpunkte bilden noch sich profilieren.“

Angelika Plümpe sieht das anders. „Wir gehen weiter unseren Weg“, beschreibt die Pfarrgemeinderatsvorsitzende unberührt vom angestoßenen Entwicklungsprozess ihre feste Position. „Da verlassen wir uns ganz auf den Heiligen Geist, um den wir am Schluss jeder Messe beten.“