Ein Blick hinter die Kulissen

Archivleiter Markus Seemann zeigt den Besuchern eine Ausstellung über die Militärseelsorge im Zweiten Weltkrieg. Foto: Oliver Gierens

Das katholische Militärbischofsamt war Ziel der „Kleinen Alltags-Reisen“, zu denen die Berliner City-Pastoral einlädt. Die Teilnehmer erlebten einen Streifzug durch die Geschichte der Militärseelsorge.


Eigentlich sollte sie nur ein Ersatz sein für die größeren Veranstaltungen, die wegen der Corona-Krise abgesagt werden mussten. Doch mit den „Kleinen Alltags-Reisen“ hat die Berliner Citypastoral ins Schwarze getroffen. „Wegen Corona wollten wir nicht alles absagen, sondern kleine Führungen direkt vor Ort anbieten“, erzählt Carla Böhnstedt, die das Programm organisiert hat. „Es soll Blicke hinter die Kulissen ermöglichen und Orte vorstellen, die sonst verschlossen sind.“ Und das kommt offenbar gut an bei den Besuchern – zum Beispiel beim Besuch des Katholischen Militärbischofsamtes. Die rund zehn Teilnehmer waren an der Arbeit und Geschichte der Militärseelsorge derart interessiert, dass die Veranstaltung länger dauerte als geplant.

Was sich nach außen hin als unscheinbarer Behördenbau präsentiert, birgt in seinem Inneren eine wechselvolle und spannende Geschichte. Das Gebäude am Weidendamm wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Kaserne errichtet und fast bis in die Gegenwart militärisch genutzt. Nach der Preußenzeit und dem Dritten Reich zog hier das DDR-Wachregiment „Friedrich Engels“ ein. Auch die Kaserne wurde nach dem Weggefährten von Karl Marx benannt, der hier einst seinen Militärdienst absolviert hatte. Später kamen hier die Passkontrolleinheiten unter, die am benachbarten Bahnhof Friedrichstraße die Grenzkontrollen durchführten. Nach der Wiedervereinigung stand das Gebäude erst einmal leer und wurde ab 1998 aufwändig saniert, um Platz zu schaffen für die Kurie des katholischen Militärbischofs. Doch der Umzug der Behörde von Bonn nach Berlin war nicht unumstritten. Viele damalige Mitarbeiter wären lieber am Rhein geblieben, doch die Statuten legten fest, dass sich der Militärbischof am Sitz der Bundesregierung niederlässt.

Mittlerweile sind diese Debatten Geschichte. Die Behörde ist in Berlin angekommen und hat eine schlichte, aber dennoch sehr repräsentative Unterkunft gefunden. Im Innenhof ist ein kleiner Garten mit einem Springbrunnen entstanden, der einen angenehmen Kontrast zum Großstadttrubel rund um die Friedrichstraße bietet. Doch nicht nur das Gebäude selbst birgt eine interessante Historie, auch das Archiv des Militärbischofsamtes erzählt facettenreiche Anekdoten aus den vergangenen Jahrhunderten. Archivleiter Markus Seemann führte die Teilnehmer in die dunklen, grauen Keller, in denen sich die riesigen Archivregale verbergen. Was in den Registraturen zum Vorschein kommt, erzählt Geschichte. So zeigte er den Teilnehmern ein altes Kirchenbuch aus dem frühen 20. Jahrhundert. Hier sind – mit Tinte in altdeutscher Schrift – die Sterbefälle der Berliner Garnisonskirche St. Michael verzeichnet. Dort findet sich etwas versteckt auch der Name „Leopold Fürst von Hohenzollern“. Er war eine Schachfigur der großen Politik. Sein Anspruch auf den spanischen Thron gilt als einer der Auslöser für den deutsch-französischen Krieg 1870.

Weiter ging es in eine kleine Ausstellung, die sich mit der Rolle der katholischen Militärseelsorge im Zweiten Weltkrieg befasst. Wie sehr haben sich die Militärpfarrer, die damals – im Gegensatz zu den heutigen Militärseelsorgern in der Bundeswehr – Angehörige der Wehrmacht waren, dem NS-Regime angepasst oder sich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt? Die meisten, so erklärte Seemann, hätten ihren Dienst verrichtet und sich in einem Spannungsfeld bewegt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle von Georg Werthmann, im Krieg Feldgeneralvikar der Wehrmacht und ab 1956 nach der Entstehung der Bundeswehr erster Militärgeneralvikar. Er steht zwar für personelle Kontinuität, aber zog laut Seemann auch Lehren aus der NS-Zeit. So sei es ihm maßgeblich zu verdanken, dass die Militärseelsorge in der Bundesrepublik mehr Eigenständigkeit gewinnen konnte.

Zum Abschluss des Treffen stand der Leiter des Grundsatzreferats, Thomas Elßner, den Besuchern Rede und Antwort. Und die zeigten sich sehr wißbegrierig. So ging es um die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Rolle des Militärbischofs, den lebenskundlichen Unterricht und die Frage, wie die Militärseelsorge auch Soldaten erreichen kann, die – insbesondere in den östlichen Bundesländern – eine geringe Kirchenbindung haben. Am Ende lobten viele Besucher diese und andere Veranstaltungen im Rahmen der „Alltags-Reisen“. Organisatorin Carla Böhnstedt überlegt bereits, das Programm im nächsten Jahr fortzusetzen.