Mit seiner Aktion „paradEIS“ hatte das Erzbistum Berlin auf dem Katholikentag in Stuttgart eindeutig die längste Schlange an seinem Stand. Doch es ging um mehr als nur den puren Eisgenuss.
Wenn es nach der Länge der Warteschlange geht, hatte der Stand des Erzbistums Berlin auf dem Stuttgarter Katholikentag eindeutig die Nase vorn. Der Grund: Hier gab es für alle Besucher ein Eis gratis – aber durchaus nicht umsonst. Wer wollte, konnte für ein soziales Projekt spenden, und statt Schokolade, Vanille oder Erdbeer gab es ungewöhnliche Eissorten, die zum Nachdenken anregten und auf diese Weise ein „Eisbrecher“ für so manches interessante Gespräch wurden.
„Eine Kugel Trostgold mit Streuzweifel, bitteschön!“
Das meist sonnige, trockene Wetter tat sein Übriges, die Warteschlange an dem historischen Eiswagen nicht abreißen zu lassen. Am Freitagnachmittag gab es dann schließlich prominente Unterstützung. Erzbischof Heiner Koch, gerade aus einer Familienmesse kommend, bindet sich eine Schürze um und gibt den Gästen auf das Eis noch ein „Topping“ obendrauf. Zur Wahl stehen „Wandelsplitter“, „Fragsahne“ oder „Streuzweifel“ – wobei die Sahne eindeutig Favorit ist.
Schon die Eissorten, die hier zur Wahl stehen, sind durchaus ungewöhnlich: Es gibt „Wagemut“, „Aroma Amor“, „Traute Nuss“, „Eden für Jeden“ oder „Trostgold“. Extra zum Katholikentag steht auch die typische Berliner Sorte „Herz und Schnauze“ zur Wahl.
Auf diese „süße“ Art und Weise sollen sich die Gäste bewusst die Frage stellen, wie ihr Glaube schmecken würde, wenn er eine Eissorte wäre, erläutert Carla Böhnstedt von der Berliner Citypastoral, die in Stuttgart den Eiswagen mitbetreut. Hier gibt es nicht zwei, drei Kugeln übereinander gehäuft, sondern die Besucher sollen bewusst eine Sorte auswählen. „Sie sollen herausfinden, was der Grundgeschmack ist“, so Böhnstedt.
Und wer sich für die „Fragsahne“ obendrauf entscheidet, bekommt noch eine Karte ausgehändigt, auf der er oder sie seine Fragen an die Welt, die Gesellschaft und insbesondere die Kirche notieren kann. „Die Kirche will hören, was die Menschen umtreibt“, sagt Carla Böhnstedt.
Und dabei entwickelten sich oft Gespräche über ganze Lebensgeschichten, erzählt die Seelsorgerin. So habe sich eine Frau für „Wagemut“ entschieden, weil sie sich gerade von ihrem Mann getrennt habe. „Sie erlebt gerade eine Wandelsituation in ihrem Leben“, so Böhnstedt. Ein anderer Besucher habe sich für die „Wandelsplitter“ auf dem Eis entschieden. Im Gespräch habe er erzählt, dass er sich gerne mehr in die kirchliche Arbeit einbringen würde als er dürfe – „und das beschäftigt ihn“.
Auch an diesem Freitagnachmittag verbindet sich die Wahl der passenden Eissorte wieder mit persönlichen Geschichten. Zwei Pfarrsekretärinnen aus Plochingen bei Stuttgart haben gerade ihr Eis von Erzbischof Koch mit einem Topping „krönen“ lassen. „Ich habe mich für ‚Aroma Amor‘ entschieden – das ist einfach wie die Liebe“, sagt Ulrike Ferrari. Auf „Eden für Jeden“ fällt die Wahl ihrer Kollegin Christina Bauer. „Ich wünsche mir den siebten Himmel – und das Eis schmeckt so toll, ein Stück Himmel ist schon da“, erzählt sie. Auch eine Besucherin aus dem Bistum Trier hat sich für diese Sorte entschieden, mit einem Klecks „Fragsahne“ obendrauf. „Mir geht es um die Frage, wie wir in dieser Welt mehr Gerechtigkeit umsetzen können“, sagt sie im Gespräch.
Eis genießen, Herz erleichtern, guten Zweck unterstützen
Doch nicht nur die Eiswaffeln füllen sich, sondern auch die Spendenbox auf der Theke. Wer will, kann hier noch ein soziales Projekt des Erzbistums Berlin unterstützen, etwa die „VITA domus“, eine Obdachlosenunterkunft für Frauen in Berlin-Karow. An diesem Freitag wird für das Projekt „Friedhofsgeflüster“ gesammelt – eine Initiative auf dem St. Hedwig-/ St. Pius-Friedhof in Berlin, bei dem Trauernde bei einer Tasse Kaffee ihr Herz ausschütten können. Und wer am Samstag sein „paradEIS“ bekommt, kann das Begegnungszentrum „mia“ in Löcknitz (Vorpommern) unterstützen, das insbesondere den deutsch-polnischen Austausch in der Grenzregion fördert.