In den Räumlichkeiten der katholischen Gemeinde Sankt Bonifatius in Berlin ist das Restaurant „Kreuzberger Himmel“ untergebracht. Dort bereiten Flüchtlinge Speisen aus ihrer arabischen Heimat für die Gäste zu.
Die Szene, die sich im Gastraum des „Kreuzberger Himmels“ abspielt, mag für andere Restaurants ungewöhnlich sein. In der Yorckstraße 89 in Berlin ist das anders: Ein junger Mann sitzt angespannt an einem der Tische und blickt sein Gegenüber, einen Endfünfziger mit kurzen grauen Haaren, mit einer Mischung aus Hoffnung und Resignation an. Ihm ist nach eigenem Bekunden ein Ausbildungsplatz in einem Fünf-Sterne-Hotel sicher – trotzdem soll er nach Afghanistan abgeschoben werden. Andreas Tölke, Vorstand des Vereins „Be an Angel“, könnte seine letzte Chance sein.
Grund genug für Tölke, sich sein Smartphone ans Ohr zu klemmen und einen Ausweg zu suchen, Optionen abzuwägen und Ansprechpartner aufzutreiben. Seit Jahren macht er das: Auswege suchen. Aus dem Verein heraus entstand die Idee eines Restaurants, das Geflüchtete unterstützt – der „Kreuzberger Himmel“. Eine dafür gegründete GmbH finanziert Tölke zufolge den Betrieb, etwa die Gehälter.
Gastronomische Erfahrungen nutzen
Das Geschäft läuft, die Gäste kommen gerne, wie Layali Jaafaa erzählt. Seit einem Jahr steht sie in der Küche, habe bereits im Irak in der Gastronomie gearbeitet, sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Sohn gelangte sie nach eigenen Worten über die Türkei und Griechenland nach Finnland und schließlich nach Berlin. Inzwischen sei auch ihr Ehemann bei ihnen.
„Ich hatte viel Glück in Deutschland“, erzählt die junge Frau mit einem Lächeln. „Ich habe viel Spaß bei meiner Arbeit und freue mich immer über Lob der Gäste.“ Ihr großer Traum: ein eigenes Restaurant in Berlin, auf der Speisekarte arabische Gerichte.
Talent und Erfahrung besitzt auch der Küchenchef des „Kreuzberger Himmels“: Othman Achiti arbeitete bereits in seiner Heimat Syrien als Chefkoch, in Saudi- Arabien seien seine Gerichte in einem Fünf-Sterne-Hotel gereicht worden. Er sei froh über die Stelle im „Kreuzberger Himmel“, erzählt er und wuchtet einen Sack Reis auf die Arbeitsplatte der kleinen Küche. Den Reis braucht er für ein syrisches Festtagsgericht, Kabse, das in verschiedenen Varianten mit Gemüse und Fleisch zubereitet werden kann und in dem großen Topf auf dem Herd vor sich hin köchelt.
Im „Kreuzberger Himmel“ arbeiten Menschen aus verschiedenen Nationen miteinander. Zu Beginn kein einfaches Unterfangen, sagt Tölke. Sie seien naiv gewesen: „Uns war nicht klar, dass Afghanen, Iraker, Pakistanis und Syrer noch nie zusammengearbeitet haben. In den ersten Wochen ist deutlich geworden, welche Kommunikations- und Mentalitätsunterschiede es gibt.“ Mittlerweile hätten sich alle aneinander gewöhnt; das Team aus Festangestellten, Auszubildenden und Praktikanten sei aufeinander abgestimmt.
Die Räumlichkeiten des Restaurants gehören zur katholischen Gemeinde Sankt Bonifatius. Das Konzept von „Be an Angel“ überzeugte. Pfarrer Oliver Cornelius zeigt sich sehr zufrieden mit der Wahl: „Wir wollten etwas Soziales in den Räumen.“
Notwendigen Egoismus wieder ablegen
Für Tölke ist die Einrichtung ein „Inkubator“ – eine Art Brutkasten. Im „Kreuzberger Himmel“ sollen die Flüchtlinge auf den „normalen“ deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. „Auf der Flucht muss man zum Egoisten werden, es geht um den eigenen Überlebenskampf. Hier auf einmal mit Leuten zusammenzuarbeiten und sich als Team zu verstehen, ist eine große Herausforderung.“ Die Strategie des Restaurants scheint aufzugehen. Einige Flüchtlinge, die hier erste Erfahrungen gesammelt haben, konnten eine Ausbildung bei Hotelketten beginnen.
Ein Grund zu expandieren: Neben dem „Kreuzberger Himmel“ soll es bald noch einen weiteren Himmel geben – den „Himmel 8“ in der Ritterstraße, ein vegetarischer Deli Take Away (Feinkost zum Mitnehmen). Auf der Karte: arabische Wraps, Suppen, Salate und Säfte. Auch dort sollen Flüchtlinge eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben erhalten.