„Es geht um mehr!“

Fundraiser mit neuem Kleinbus: Thomas Thieme, Felicitas Richter, Regina Kaluza und Gundula Morcinek. | Foto: Alfred Herrmann

Seit einem Jahr läuft das Projekt „Fundraising-Entwicklung in Pastoralen Räumen“ in Buckow-Müncheberg. Besonders der Perspektivwechsel vom Blick auf die eigenen Gemeinde hin zur Offenheit auch für andere Einrichtungen fällt auf.

„Es war spannend, zu sehen, wer alles zu unserer Pfarrei gehört.“ Manöverkritik: Gundula Morcinek, Thomas Thieme, Felicitas Richter und Regina Kaluza resümieren ihren Sonderpfarrbrief vor Fronleichnam. Was lief gut, was müsste künftig anders laufen? Wer wurde mitgenommen, wer vergessen?

Zum ersten Mal hat St. Hedwig Buckow-Müncheberg einen Pfarrbrief an alle katholischen Haushalte der Pfarrei versandt. Im Sonderpfarrbrief wurde über den geplanten Bau des neuen Gemeinde- und Begegnungszentrum in Müncheberg informiert sowie die Entstehungsgeschichte des Vorhabens samt schmerzhafter Trennung von Kapelle und Gemeindehaus in Buckow dargestellt. Zugleich enthielt er eine Einladung zum Gemeindefest an Fronleichnam. Für die personalisierte Zustellung sorgten ein neu gebildeter Kreis von Frauen und die örtlichen Religionsschüler. Gundula Morcinek erklärt den dabei erzielten Effekt: „Die Frauen und Schüler bekamen plötzlich mit, wer in ihrer Nachbarschaft noch so alles katholisch ist, und gingen auf andere zu.“ Wie wirkungsvoll das war, habe sich schließlich beim Fest gezeigt: „Wir hatten eine hohe Beteiligung“.

Fundraising gleich Geld sammeln?

Der dritte und letzte Seminarblock von „Fundraising-Entwicklung in den Pastoralen Räumen“ (zum Begriff Fundraising: siehe Kasten rechts) steht an diesem Samstagmittag vor dem Abschluss. Seit Donnerstag ließen sich die Ehrenamtlichen aus Buckow-Müncheberg in Sachen „Systemisches Fundraising“ schulen und erarbeiteten die nächsten Schritte für das Konzept ihres Projektes: das neue Gemeinde und Begegnungszentrum. Der Schulungsteil handelte diesmal von Stiftungen, Unternehmenskooperationen und Sponsoring sowie von Öffentlichkeitsarbeit. In der Einzelwerkstatt bereitete die Gruppe die Gründung eines Fördervereines vor.

Vor einem Jahr startete im Erzbistum Berlin im Rahmen des Pastoralen Prozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“ das Projekt „Fundraising-Entwicklung in den Pastoralen Räumen“. Begleitet wird es durch die Koordinatorin für Fundraising-Entwicklung des Erzbistums Berlin, Uta Bolze, in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Systemisches Fundraising Hamburg und dem Fundraising- Büro des Bistums Hildesheim. Fünf Modellprojekte nehmen daran teil, neben der Pfarrei Buckow-Müncheberg die von IN VIA betriebene Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof, der Hospizverein Demmin, die „Tage ethischer Orientierung“ des BDKJ und eine Initiative im Pastoralen Raum Stralsund/Rügen/Demmin.

„Beim Thema Fundraising denken die meisten oft nur an Geldbeschaffung“, resümieren Thieme und Morcinek das vergangene Jahr. „Wir haben dagegen gelernt: Es geht um weit mehr! Es geht um die Menschen.“ Im ersten Jahr entwickelten sie daher eine ganzheitliche Sichtweise auf ihr Projekt und das System, in das es eingebettet ist. Sie lernten Chancen und Risiken zu analysieren, auf wohlgesonnene und ablehnende Personen zuzugehen, Beziehungen zu entwickeln, Außen- und Binnenansichten abzufragen, Ehrenamtsarbeit neu zu bewerten – das Handwerkszeug für Systemisches Fundraising. Morcinek unterstreicht: „Das Systemische Fundraising verlangt ein Umdenken, einen Perspektivwechsel.“

Einen solchen hat die Pfarrei St. Hedwig bereits bei der Planung des Gemeinde- und Begegnungszentrums vollzogen. Denn dieses soll künftig nicht nur der Pfarrfamilie dienen, sondern für eine neue Offenheit der Kirche von Buckow-Müncheberg sorgen. So zieht das Christlich-Naturnahe Kinderhaus, die Kita einer katholischen Elterninitiative ein. Außerdem ist geplant, Gemeindesaal und Büros für verschiedenste gesellschaftliche Initiativen und Gruppen zu öffnen. Neue Berührungspunkte nach außen, hinein in die Gesellschaft sollen so entstehen. Positiver Nebeneffekt: für den Bau können EU-Fördermittel akquiriert und mit Mieteinnahmen die laufenden Kosten des Gebäudes gedeckt werden.

Ein geteilter Ford Transit mit 22 Werbeanzeigen

„Alles, was wir im ersten Jahr unternommen hatten, diente uns zur Übung und um Erfahrungen zu sammeln“, denkt Morcinek zurück. Neben dem Sonderpfarrbrief begann die Pfarrei auf Anregung der Fundraiser, Altpapier zu sammeln. „Wir haben uns gefragt: wie können wir die Menschen interessieren, auch in ihrem Alltag an die Kirche und die Pfarrgemeinde zu denken?“ Nun bringen Jung und Alt ihr Altpapier mit zum Gottesdienst. „Wenn genügend Altpapier zusammengekommen ist, bringe ich es weg.“ Morcinek bekommt acht Cent für das Kilo. Genau listet sie auf, wieviel Geld zusammenkommt und für was es die Pfarrei verwendet, und hängt es offen aus: „Wer viel sammelt, bekommt als symbolisches Dankeschön eine Papierblume.“

Als drittes Experiment beschafften die ehrenamtlichen Fundraiser von Buckow-Müncheberg für Kita und Pfarrei einen Kleinbus für mehr Bewegungsfreiheit im neuen Pastoralen Raum und für die Arbeit mit Kindern. Der Bedarf sei groß, doch der Kauf eines solchen Fahrzeuges weder für Pfarrei noch für Kita zu stemmen, bemerkt Thieme. Daher haben die Fundraiser einen anderen Weg gesucht und mit einer Werbefirma beschritten. Nun besitzt der Katholische Elternkreis Strausberg als Träger des Christlich- Naturnahen Kinderhauses für fünf Jahre einen Ford Transit Custom, bestückt mit 22 Werbeanzeigen unterschiedlichster Unternehmen. Sieben davon akquirierten die Fundraiser selbst unter den Mitgliedern ihrer Pfarrei. Die Unterhaltskosten teilen sich nun Kita und Pfarrei. „Wir nutzen den Synergieeffekt. Unter der Woche steht das Fahrzeug tagsüber der Kita zur Verfügung, am Abend und am Wochenende der Gemeinde“, erklärt Thieme.

Und nun folgt die Gründung eines Fördervereins, ebenfalls, wie Morcinek betont, ein experimenteller Schritt, diesmal allerdings struktureller Art. Thieme erläutert: „Der Förderverein dient als Rechtsträger für die Spendenpflege und soll die Idee des Systemischen Fundraisings unterstützen. Er soll dabei helfen, den Blick zu weiten, Ressourcen aufzuspüren, Schätze zu heben und wertschätzend auf die Menschen zuzugehen.“

Sauerteig in der Gemeinde

Verwaltungsleiterin Regina Kaluza, die am Seminar als Gast der Gruppe teilnimmt, sieht zuallererst die Aufgabe, Vorbehalte und Skepsis gegenüber Fundraising abzubauen: „Viele denken: Warum brauchen wir so was Neumodisches? Spenden haben wir doch auch schon früher gesammelt.“ Die Situation ebenfalls erschwere die durch den Pastoralen Prozess aufgewühlte Gemütslage der Gemeinde sowie die Verunsicherung durch den Abschied des Pfarrers in den Ruhestand. Felicitas Richter, ebenfalls Impuls gebender Gast der Gruppe, sieht im Förderverein daher eine große Chance: „Er kann wie ein Sauerteig in die Gemeinde und den Pastoralen Raum hineinwirken.“

Mit dem dritten Seminarblock endete die theoretische Ausbildung im Rahmen von „Fundraising- Entwicklung in den Pastoralen Räumen“. Ab nun beginnt die Arbeit für die Teilnehmer erst richtig. Es gilt für die Fundraising- Gruppe um Morcinek und Thieme, ihr Projekt selbstständig vor Ort umzusetzen. Coaches des Fortbildungsteams und des Erzbistums Berlin unterstützen sie weiterhin aktiv dabei. „Wir haben die Hoffnung, möglichst viele Leute in der Gemeinde auf unserem Weg des Fundraising mitnehmen zu können, damit wir nicht alleine bleiben“, blickt Morcinek optimistisch in die Zukunft.

Zur Sache: Fundraising

„Fundraising“ ist ein englischer Begriff, der auf Deutsch etwa „Kapitalbeschaffung“ bedeutet und vor allem gemeinwohlorientierte Einrichtungen betrifft. Es geht dabei nicht nur darum, Geld einzuwerben, sondern sämtliche benötigten Ressourcen für ein Projekt aufzubringen. Dabei kann es neben finanziellen Mitteln auch um Sachund Dienstleistungen gehen, die zu möglichst geringen Kosten beschafft werden sollen. Der Beschaffung geht zumeist eine systematische Analyse der benötigten Ressourcen der Einrichtung ebenso wie der Befürfnisse der Ressourcengeber voraus. Dann werden die notwendigen Maßnahmen geplant, durchgeführt und analysiert. Methoden des Fundraising sind neben persönlichem und telefonischem Gespräch auch die Kommunikation über Post, Messestände oder das Internet.