Catharina Jebe-Akakpo, Koordinatorin des Ambulanten Caritas-Hospizdienstes, spricht über die Herausforderungen der Sterbebegleitung in Zeiten von Corona.
Wie bereiten Sie sich auf Einsätze bei Corona-Patienten vor?
Kann man sich darauf vorbereiten? Es ist sicherlich sehr schwierig, da die Entwicklung nicht abzuschätzen ist. Wie verbreitet sich das Virus und in welchem Ausmaß? Wie sind die Kapazitäten der medizinischen Versorgung? In den Vorbereitungen gilt es, einen guten Weg für den Betroffenen zu finden. Es ist ein Balanceakt einerseits, den auferlegten Beschränkungen des Bundes, des Landes Berlin und den Schutzmaßnahmen einzelner Einrichtungen gerecht zu werden und andererseits, den Bedürfnissen des Betroffenen und deren Angehörigen nach persönlichem Kontakt nachzukommen. Hier gilt es, nach neuen Wegen der Begleitung zu suchen. Im Praktischen ist sicher eine gute Aufklärung über Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln im Umgang mit Betroffenen und deren Angehörigen sehr wichtig.
Wir wissen, dass schwerkranke Corona-Patienten beatmet werden müssen. Was können Sie dann noch tun?
Nicht jeder an COVID-19 schwererkrankte Patient muss beatmet werden. Außerdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass ein beatmeter Patient keinen Beistand braucht, da er nicht ansprechbar zu sein scheint. Es gibt Studien, die das Gegenteil besagen. Auch für diese Patientengruppe ist seelischer Beistand von großer Bedeutung.
Ist es egal, wer das tut?
Wie meinen Sie das? Sterbende begleiten? Gerade bei schwererkrankten Patienten ist eine gute Vorbereitung der Ehrenamtlichen und sicherlich auch ein gewisses Maß an Erfahrung von großer Bedeutung.
Gibt es unter den Ehrenamtlichen bei der Caritas eine große Bereitschaft, Corona-Patienten zu begleiten?
Ein großer Teil der Ehrenamtlichen hat die Unterstützung von Betroffenen und deren Angehörigen angeboten. Es ist eine große Bereitschaft da. Viele bieten Ihre Unterstützung nach ihren Möglichkeiten an. Aufgrund der Beschränkungen des Bundes, der Länder und den Schutzmaßnahmen der einzelnen Einrichtungen ist es manchmal schwierig, Ehrenamtliche direkt einzusetzen. Ein sehr großer Teil der Ehrenamtlichen gehört einer Risikogruppe an.
Also schrumpft der Kreis der Möglichen erheblich.
Ja, aufgrund der Beschränkungen und Vorgaben sind dem persönlichen Kontakt Grenzen gesetzt. Hinzu kommt auch noch die Fürsorgepflicht, die ich als Koordinatorin gegenüber den Ehrenamtlichen habe.
Das heißt, viele Corona-Kranke werden einsam sterben?
Die Begleitung von Sterbenden obliegt nicht nur den Ehrenamtlichen. Wie jemand stirbt, liegt nicht im Verantwortungsbereich der Ehrenamtlichen. Ehrenamtliche sind ein Personenkreis, die an der Versorgung von an COVID-19 erkrankten Patienten unterstützend tätig sein können. Es gibt jedoch noch weitere Berufsgruppen, die an der Behandlung beteiligt sind: die Pflege, Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorge und viele mehr. Auch möchte ich die An- und Zugehörigen hier nicht unerwähnt lassen.
Wie stellen Sie sich darauf ein?
Meinen Sie auf die Einsamkeit? Wir als Ambulanter Hospizdienst sind jederzeit ansprechbar für Betroffene und Angehörige. Sie können gern zu uns Kontakt aufnehmen. In einem Erstgespräch versuchen wir dann die Bedürfnisse zu klären.
Als Mitarbeiterin eines katholischen Vereins werden Sie sich wahrscheinlich nicht nur auf praktische Maßnahmen verlassen?
Neben allem anderen spielt für mich das Gottvertrauen und die Hoffnung eine sehr sehr wichtige und große Rolle.
Haben Sie Erfahrungen mit Betroffenen anderer schwerer Infektionskrankheiten?
Nein, in meiner Tätigkeit als Koordinatorin nicht.
Losgelöst von speziellen Krankheitsbildern, wann sprechen Sie nach einem Einsatz davon, einen guten Job gemacht zu haben?
Ob ich meine Arbeit gut gemacht habe, kann letztendlich nicht ich beurteilen. Das kann nur der Betroffene selbst oder vielleicht die Angehörigen beurteilen. Meine Aufgabe ist es, mein Handeln immer wieder neu zu hinterfragen und den Bedürfnissen des Betroffenen anzupassen.
Hängt Ihre Arbeit von der Art der Krankheit des Sterbenden ab?
Für mich sind alle Menschen gleich. In der Begleitung gilt es, sich immer wieder neu auf den Menschen einzustellen, den Betroffenen im Sterbeprozess zu begleiten und zu unterstützen.
Machen Sterbende es Ihnen manchmal schwer?
Es geht nicht darum, wie ich etwas empfinde. Der Betroffene steht im Mittelpunkt. Um ihn geht es. Es ist meine Aufgabe und die der Ehrenamtlichen, ihn unterstützend zu begleiten. Es geht darum, sich auf den Betroffenen einzustellen und seine Bedürfnisse zu erkennen. Der Sterbende gibt die Richtung an.
Haben Gläubige es leichter, zu sterben?
Jede Begleitung und jeder Sterbeprozess ist anders. Jeder Mensch geht seinen eigenen Weg und ist von vielen Faktoren abhängig. Manch einer findet im Glauben eine sehr große Unterstützung, manch einer hadert.
Es fällt auf, dass Sie gerne von Sensibilität, Fingerspitzengefühl sprechen. Braucht man als Sterbebegleiter eine gute Intuition?
Wer als Ehrenamtlicher in der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden tätig sein möchte, sollte die Bereitschaft und eine große Offenheit mitbringen, sich auf andere Menschen einzulassen und jeden Menschen in seiner ganz eigenen Art anzunehmen.
Werben Sie um weitere Sterbebegleiter für Corona-Patienten?
Für August diesen Jahres ist der Beginn eines neuen Vorbereitungskurses zur Sterbebegleitung in unseren Berliner Räumen, Alt-Lietzow 31, geplant. Ich hoffe, dass der Kurs stattfinden kann.
Normalerweise dauern die Kurse zur Ausbildung von Sterbebegleitern ein Jahr. Haben Sie vor, aufgrund der aktuellen Lage Crash-Kurse für Interessenten anzubieten?
Einen Crash-Kurs im Rahmen einer Kontaktsperre anzubieten ist wohl nicht möglich.
Es gibt genaue Vorgaben für die Qualifizierung von Ehrenamtlichen in der Sterbebegleitung. Sowohl die Inhalte als auch die Anzahl der Stunden sind vorgegeben. Gerade in dieser besonderen Situation wäre eine gute Vorbereitung auch zum Schutz der Ehrenamtlichen von großer Bedeutung, auch wenn man sich die Bilder über die Versorgung von Corona-Patienten aus anderen Ländern anschaut. Das würde bei weitem das Maß einer „normalen“ Sterbebegleitung überschreiten.
Was ist Ihre Aufgabe als Koordinatorin?
Meine Aufgaben als Koordinatorin sind sehr vielseitig. Ich bin unter anderem beratend für Interessierte, Betroffene und deren Angehörige im Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung tätig. Bei Anfragen für eine Begleitung stelle ich den Erstkontakt her und koordiniere die passende psychosoziale Begleitung durch Ehrenamtliche. In diesem Erstgespräch kläre ich die Bedürfnisse des Betroffenen. Auch die Begleitung und Unterstützung der Ehrenamtlichen gehört zu meinen Aufgaben. Die Qualifizierung von neuen Ehrenamtlichen ist auch noch ein wesentlicher Teil meines Aufgabengebietes.
Wie lange dauert eine Sterbebegleitung?
Für eine Sterbebegleitung gibt es keinen festen Zeitraum. Der Todeszeitpunkt ist nicht vorhersehbar. Von daher kann eine Sterbebegleitung auch über einen längeren Zeitraum gehen.
Warum delegieren Angehörige die Begleitung an Sie?
Ich denke Delegation ist hier das falsche Wort. In der Sterbebegleitung geht es um Unterstützung. Unterstützung für den Betroffenen, aber auch um die Unterstützung der Angehörigen. Denn auch sie sind auf eine Art und Weise betroffen und benötigen Hilfe. Es ist unsere Aufgabe, auch sie im Sterbeprozess zu begleiten.