Mit „Fenster zur Freiheit“ zeichnet der Journalist Peter Wensierski ein Bild der Entstehung der radix-blätter. Gedruckt wurden sie auch mit Unterstützung der katholischen Geheimen Druckerei. In deren Räumen findet eine Lesung statt.
Es ist immer wieder faszinierend: Ein totalitärer Staat, ein Regime, kann Opposition behindern und verbieten. Zunichte machen wird er sie deshalb aber nicht. Ein beeindruckendes Zeugnis dessen birgt Peter Wensierskis Buch „Fenster zur Freiheit“, das jetzt im Mitteldeutschen Verlag erschien. Darin beleuchtet er die Geschichte der radix-blätter, einer Untergrund-Zeitschrift, die zwischen 1986 und 1990 in der DDR erschien.
Demokratietheorie und Menschenrechte
In dem 212 Seiten starken Buch beleuchtet der Journalist Wensierski, wie es möglich war, dass der evangelisch-lutherische Pfarrer Stephan Bickhardt und der mit Berufsverbot belegte Mathematiker Ludwig Mehlhorn rund eine Million Seiten hektografierten und verbreiteten.
Vorwiegend waren demokratietheoretische Fragen Thema der radix-blätter. Erreichen wollten die Herausgeber eine offene Diskussion über gesellschaftliche Veränderungen und unabhängige Informationsstrukturen. Letzten Endes zielten sie auf eine demokratische Gesellschaft und die Geltung der Menschenrechte. Spannend zu lesen ist, wie genau die Verleger der radix-blätter im Kleinen auf die Umsetzung ihrer großen Ziele hinarbeiteten.
Dass dabei eine katholische geheime Druckerei eine Rolle spielte, ist Wensierski immerhin eine ganze Seite wert. Darauf beschreibt er, wie das profane Problem des Papiermangels überwunden wurde: Denn im Keller des Katharinenstifts in der Greifswalder Straße, wo unkontrolliert katholische Schriften gedruckt wurden, hatte man Quellen aufgetan. So kamen große Mengen „Abfallpapiers“ aus einer Papierfabrik in Eberswalde und einer in Heiligenstadt. Dort konnten die radix-Drucker regelmäßig etwas für ihre Druckerei in der Ferdinandstraße in Berlin-Kaulsdorf abzweigen. Dort stand hinter dem Schlafzimmer von Bickhardts Eltern die Druckmaschine …
Gespräch mit Leiter der geheimen Druckerei
Anlässlich des Jahrestags des Mauerbaus findet am 13. August um 19 Uhr eine Autorenlesung aus „Fenster zur Freiheit“ in den Räumen des ehemaligen Katharinenstifts, in der Aula des heutigen Schulzentrums Edith Stein, Greifswalder Str. 18a, Berlin-Prenzlauer Berg statt. Beim Gespräch kommen außer Peter Wensierski auch der Leiter der dortigen „geheimen Druckerei“, Propst em. Heinz-Joseph Durstewitz, und der Herausgeber der radix-blätter, Pfarrer Stephan Bickhardt, zu Wort.
Peter Wensierski: Fenster zur Freiheit. Die radix-blätter. Untergrundverag und -druckerei der DDR-Opposition; Mitteldeutscher Verlag, ISBN: 978-3-96311-112-9; 20 Euro.