Gott ist größer als SatireDer Anschlag von Paris sorgt auch im Erzbistum für Entsetzen

Ein Blumen- und Kerzenmeer für die Opfer des Charlie-Hebdo-Anschlags

Bei dem Anschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris sind zwölf Menschen getötet worden, weil es Mohammed- aber auch Jesus-Karikaturen abgedruckt hat. Berlins Katholiken sind sich einig: Im Sinne Gottes war dieser Anschlag nicht.

Vor allem ein Thema sei durch das Attentat wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung gerückt: „Dass Menschen sich dazu verleiten lassen, im Namen eines Gottes zu töten, oder anders gesagt: das Verhältnis der Religionen zur Gewalt“, befürchtet Diözesanadministrator Prälat Tobias Przytarski. „Die Zahl derer, die immer schon der Meinung waren, Religion sei die eigentliche Quelle von Gewalt, wird jetzt vermutlich noch wachsen.“ Doch denjenigen zu folgen, die „einen Kampf zwischen Abendland und Morgenland herbeireden wollen“, sei der falsche Weg. „Vielmehr sollten wir alles tun, um die friedensstiftende Kraft einer Lebenshaltung aus dem Gottesglauben hervorzuheben“, ist Przytarski überzeugt. „Und wir sollten uns an gelungene Beispiele friedlicher Koexistenz von Christen, Nichtchristen und Muslimen erinnern.“ Er betonte in seinem „Wort des Bischofs“ im RBB-Hörfunk, dass „unsere muslimischen Mitbürger genauso unter der beispiellosen Grausamkeit, die von verblendeten Terroristen im Namen ihres angeblichen Gottes ausgeht“, leiden. „Der Gott, an den ich glaube, will keine Gewalt“, bekennt der Prälat. „Er ist ein Freund des Lebens und des Friedens.“

Juliane Bittner hatte kurzfristig ihre „Worte für den Tag“ und ihr „Wort auf den Weg“, die sie für verschiedene Radiosender einspricht, geändert. „Karikaturen gegen Glaubensvertreter werden hingenommen, auch wenn es der Papst ist, zwar zähneknirschend, aber eben auch mit einer gewissen Gelassenheit“, sagte sie dort. „Und selbst der Vatikan erklärt: Die Pressefreiheit sei genauso wichtig wie die Religionsfreiheit.“ „Wenn religiöse Bräuche verunglimpft oder Religionsstifter selbst der Lächerlichkeit preisgegeben werden“, sei das allerdings etwas ganz anderes, denn dann würden nicht nur der gute Geschmack, sondern auch religiöse Gefühle verletzt. Das nämlich tue vielen Gläubigen richtig weh, und sie fragten sich, warum andere eine so große Genugtuung daran finden, ein religiöses Bekenntnis der Lächerlichkeit preiszugeben. „Doch für diese Diskussion ist im Entsetzen über das Massaker in Paris jetzt nicht der richtige Zeitpunkt“, fuhr sie fort. „Ich will vielmehr mein Mitgefühl ausdrücken für die Opfer des Anschlags und für deren Angehörige und Freunde, für die Kollegen der Getöteten. Für ein ganzes Land, das angesichts der blinden Gewalt traumatisiert ist. ‚Gott ist groß‘ haben die Terroristen angeblich gerufen. Was für eine Anmaßung.“

Religionsübergreifendes Engagement für Frieden

„Das Attentat von Paris ist eine zutiefst gottlose Tat, die alle religiösen Menschen ablehnen und verurteilen. Menschen, die mit dem Ruf ‚Gott ist groß‘ töten und der absurden Meinung sind, im Namen Gottes Rache üben zu müssen, hängen einer menschenverachtenden Ideologie an“, meint auch Thomas Schimmel, der Geschäftsführer der franziskanischen Initiative 1219 für Religions- und Kulturdialog und auch Koordinator der Langen Nacht der Religionen in Berlin ist. „Diese Ideologie hat mit dem Glauben an Gott nichts zu tun, sondern ist Ausdruck eines abstrusen Weltbildes, in dem Gott und die Religion die eigenen machtpolitischen und ökonomischen Zwecke legitimiert.“

Ein solches Weltbild sei zu allen Zeiten und in allen Weltanschauungen zu finden. Schimmel wünsche sich, dass gläubige Menschen aller Religionen jetzt den Schulterschluss üben und um die ermordeten Menschen trauern. „Und dass wir uns schützend vor die Mehrheit der Muslime stellen, die Gott verehren und aus ihrem Glauben die Motivation und die Kraft für ein friedliches und sinnvolles Leben ziehen“, ergänzt er noch. „Das religionsübergreifende Engagement für Frieden, Toleranz und Aufklärung ist nach dem Attentat nötiger denn je.“

Mehr Kontakt und Dialog mit anderen Religionen hält Wolfgang Klose, der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin, für eine Chance, solchen Anschlägen vorzubeugen. Doch eigentlich habe das Attentat nichts mit Religion zu tun: „Das war kein religiöser Anschlag, sondern ein Angriff von Verbrechern auf die Pressefreiheit unter dem Deckmantel der Religion.“ Er befürchtet, dass die „Patriotischen Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) das Massaker nutzen, um weitere Ängste zu schüren. „Wir sind in Deutschland nicht vor solchen Anschlägen gefeit, aber das hat nichts mit der Anzahl der muslimischen Menschen in diesem Land zu tun“, zeigt sich Klose überzeugt. Auch Ideen, wie sie die Parteichefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, geäußert hat, die Todesstrafe in Frankreich wieder einzuführen, lehnt Klose entschieden ab.

Zusammenhänge nicht vereinfachen

Er ist neben Hans-Joachim Ditz, dem Geschäftsführer des Diözesanrats, einer der Unterstützer des Aufrufs „Populismus und Intoleranz entgegentreten“. In dieser Stellungnahme von Mitgliedern religionsübergreifender Gremien in Berlin heißt es unter anderem: „Wir wissen um das Problem der Fremdheit zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen und die Gefahr der Überforderung. Weder Fremdheit noch Überforderung werden aber durch die Vereinfachung von Zusammenhängen und die Stigmatisiertung von Gruppen oder Religionen beseitigt.“ Weitere Unterstützer sind beispielsweise die Katholikin Anna Augustin aus Nord-Neukölln vom Interreligiösen Friedensgebet Berlin und Religions for Peace (RfP, Religion für Frieden) Berlin und die ebenfalls katholische Sozialwissenschaftlerin Antonia Schwarz, Sprecherin der Grünen Alten im Bundesverband.