Im Wohnmobil zur SonntagsmesseGreifswalder Propst ist um die Zukunft der Kirche nicht bange

Im größten Teil Ostdeutschlands sind die Katholiken in der Minderheit. Besonders extrem ist die Situation im Norden, zum Beispiel in Vorpommern, das zum Erzbistum Berlin gehört. Zwischen Pasewalk und der Insel Rügen gibt es gerade einmal 13 770 Katholiken. Wie lebt es sich in der Diaspora?

„Als katholische Gemeinde wollen wir nicht nur Heimat für die in Greifswald und Umgebung lebenden Katholiken sein. Vielmehr sehen wir unsere Aufgabe auch darin, offen zu sein für alle, die sich für christliche Traditionen interessieren, die Fragen zum Leben im christlichen Glauben haben, die neugierig sind oder eine tragfähige Gemeinschaft suchen.“ So steht es auf der Internetseite der katholischen Propsteigemeinde St. Joseph in Greifswald. Dieser Satz ist nicht nur Theorie, sondern wird von der Gemeinde gelebt. Ein Ausdruck dafür ist die Vielfalt von Gruppen, Kreisen und Angeboten. Da gibt es – wie in vielen anderen Gemeinden - Ministrantengruppen, Familienkreise, Chöre und die Kolpingsfamilie, aber auch Angebote wie Glaubensabende, die Teatime für Schüler, ein Orientierungscafé für Suchende, Interessierte und Zugezogene sowie ökumenische Aktivitäten wie die Frauengruppe. Dazu kommen Hochschulgemeinde, Kindertagesstätte und Pfadfindergruppe.

Ökumenisch, gesellschaftlich, politisch
„Zu unserer Gemeinde gehören viele Menschen, die an der Universität oder der Uniklinik arbeiten. Sie prägen unsere Gemeinde und erleichtern es uns, in die Gesellschaft hinein zu wirken und mit unseren Möglichkeiten ökumenisch, gesellschaftlich und politisch Verantwortung zu übernehmen“, sagt Frank Hoffmann, der seit zwei Jahren Pfarrer in Greifswald und Propst der katholischen Kirche in Vorpommern ist.
Zurzeit ist im Erzbistum Berlin viel von einer Strukturreform die Rede. „Wo Glauben Raum gewinnt“ heißt der pastorale Prozess, an dessen Ende die Bildung von etwa 30 größeren Pfarreien stehen soll, in denen dann alle bisherigen Pfarreien - zurzeit gibt es 105 - und Orte kirchlichen Lebens beheimatet sein sollen. Um dieses Vorhaben gibt es manche Diskussion. Pfarrer Hoffmann hat Verständnis für die Ängste, die mit Veränderungen verbunden sind, sieht das selber aber gelassen: „Ich bin optimistisch und glaube nicht, dass die Kirche in Vorpommern untergeht. Der Geist Gottes wirkt auch hier in dieser Situation.“

Strukturreform bietet auch Chancen
Greifswald mit 2300 Mitgliedern gehört neben Stralsund mit etwa 3000 Mitgliedern zu den großen Gemeinden im Dekanat Vorpommern. Vielleicht bleiben von den acht Pfarreien im Dekanat nach der Strukturreform nur zwei oder drei übrig. Frank Hoffmann sieht darin auch eine Chance: „Verwaltungsstrukturen zusammenzulegen kann für die Seelsorge hilfreich sein.“
Dass die Diskussionen um die Strukturreform in Vorpommern nicht so laut sind wie anderswo im Erzbistum, hat für Pfarrer Hoffmann auch damit zu tun, „dass wir als Kirche hier in der Region schon vieles gemeinsam machen“ - zum Beispiel in der Jugendarbeit: So gibt es zweimal im Monat Jugendtreffen für das ganze Dekanat, ebenso findet der Firmkurs gemeinsam statt. Auch in der Einbindung Ehrenamtlicher sind die Katholiken in Vorpommern auf einem guten Weg: „Vieles wird von den Gemeindemitgliedern getragen in dem Bewusstsein, dass nicht alles von den Hauptamtlichen geleistet werden kann.“ Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich der Pfarrgemeinderat in Greifswald nicht nur als Festausschuss versteht, sondern seine pastorale Verantwortung wahrnehmen will. Was die Gemeinde anbietet, muss sich der Pfarrer nicht allein ausdenken. „Viele Ideen kommen vom Pfarrgemeinderat und werden dort so vorbereitet, dass sie sich nicht als Luftnummer erweisen, sondern zumindest einen Versuch wert sind“, berichtet Frank Hoffmann.
Ein Thema im Zusammenhang mit den Strukturreformen sind die sonntäglichen Eucharistiefeiern. Sie sind die Mitte des Gemeindelebens und sollen nicht vorschnell durch Wort-Gottes-Feiern ersetzt werden. Pfarrer Hoffmann hält hier wenig von theoretischen Diskussionen. „Das bringt die Kirchenleitungen schnell in Zugzwang.“ Entscheidungen sollten lieber mit Blick auf die Praxis getroffen werden. Phantasie und Ideenreichtum können dabei auch nicht schaden. Pfarrer Hoffmann jedenfalls kann es sich gut vorstellen, dass er am Sonntag mit einem kleinen vom Bonifatiuswerk gesponserten Wohnmobil in Vorpommern unterwegs ist, um dort, wo Gemeinden sich versammeln, mit ihnen Eucharistie zu feiern. Oder: „Warum kaufen wir als Pfarrei nicht einen Reisebus, finanzieren einem Gemeindemitglied die Ausbildung zum Busfahrer? Und dann gehts am Sonntagmorgen im Bus - versorgt mit Kaffee und Croissant - zur Eucharistiefeier.“ Im Normalfall werde auch künftig am Sonntag die Eucharistiefeier möglich sein. Und wo es gar nicht anders geht, da kann es dann auch Wort-Gottes-Feiern geben.

Interessante Stadt, schönes Umland, lebendige Pfarrei
Ehe Frank Hoffmann im März vor zwei Jahren als neuer Pfarrer nach Greifswald kam, war die Pfarrstelle zwei Jahre nicht besetzt. „Niemand wollte hierher.“ Sollte er heute einem Nachfolger seine Stelle weiterempfehlen müssen, dann hätte er gute Argumente in der Hand: „Durch die Universität und die anderen wissenschaftlichen Einrichtungen bietet Greifswald mit seinen 60 000 Einwohnern alles, was sonst nur größere Städte haben. Es gibt ein schönes Umland und vor allem hat Greifswald eine sehr lebendige katholische Gemeinde.“