Berliner Christen wollen sich noch mehr Gedanken machen, wie Gottes Schöpfung bewahrt werden kann. Kirchengemeinden stellen ihre Kanzel für Redebeiträge zum Klimaschutz zur Verfügung.
„Klimakanzel“, was ist das? Herrscht hier unter einer Hülle ein gesundes Klima? Oder wird etwa jemand abgekanzelt? Es ist nichts von beidem: Die Klimakanzel ist ein ökumenisches Angebot ökologisch besorgter, ruheloser Berliner Christen, gemeinsam über klimatische wie gesellschaftliche Veränderungen zu reflektieren. Man sehe sich in jüdisch-christlicher Tradition, miteinander zu reden und nachzudenken, sagen die Initiatoren.
Die Eröffnungsveranstaltung startete am 13. Mai in der Kreuzberger St. Bonifatius-Kirche. Die dortige katholische Kirchengemeinde hatte ihren Gottesdienstbeauftragten Matthias Dümpelmann gebeten, über das Thema „Schöpfung“ zu sprechen. Er ist beruflich Experte für nachhaltige Energien, kennt die politischen Strömungen und Akteure auf dem Feld der Energiewende und Klimaschutzpolitik, berät seit 27 Jahren große deutsche Stadtwerke. Ihm gehörte für etwa acht Minuten die Kanzel, um den Zuhörern seinen Standpunkt und seine Ideen näherzubringen. Man durfte gespannt sein, wie es ihm gelingen würde, in der Kürze der Zeit Bewahrung der Schöpfung, Gesellschaft und Klimapolitik in einen Kontext zu bringen.
Idee stammt aus Norddeutschland
Im Format „Klimakanzel“ geht es um Denkansätze und Lösungen zur Vermeidung einer Klimakatastrophe, für den Einzelnen und für die Gemeinden. An sieben Tagen werden Menschen aus sieben verschiedenen Gemeinden zu interessierten Besuchern sprechen. Die Gastgeber-Gemeinden stellen ihre Kanzel dem auserkorenen „Sprecher“ als Podium zur Verfügung. Geplant seien keine „hochtrabenden Reden“, sondern Begegnungen, aus denen man gestärkt, vielleicht nachdenklich, unbedingt aber mit neuen Impulsen in den Alltag gehen könne.
Die Idee haben Georg Wagener-Lohse, Andrea Richter, Bruder Franziskus und Yvonne Berlin als ökumenisches Team innerhalb der Arbeitsgruppe Ökologische Spiritualität der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gemeinsam entwickelt. Zuvor hatte Bruder Franziskus von der Rogate-Kloster-Gemeinschaft Berlin Ähnliches bereits in Norddeutschland erfolgreich angestoßen. „Als wir davon hörten, waren wir fasziniert von der Idee, dass jemand, der Gemeindemitgliedern am Herzen liegt, über ein wichtiges Thema spricht. Man wird ihm also zuhören“, erklärt Georg Wagener-Lohse.
In St. Bonifatius, einer fast 8000 Mitglieder starken Gemeinde, machen sich Gemeindereferentin Paula von Loë, Marlies Bock, Jeannette Stehr und Matthias Dümpelmann schon lange Gedanken, wie sie den Samen für eine „Faire Gemeinde“ auf breite Füße stellen können. Als sie von der Idee „Klimakanzel“ hörten, waren sie begeistert. Die „kleine, feine Gruppe“, wie Paula von Loë sie bei der Begrüßung nannte, kam mit der Arbeitsgruppe der EKBO ins Gespräch und wurde quasi zum Vorreiter, Türöffner der Berliner Veranstaltungsreihe.
Lastenrad und drei Pullis sind nicht die Lösung
Eingebettet in Klavierklänge, nach Begrüßung und Impulslesung mehrerer Akteure, hielt Matthias Dümpelmann die erste Kanzelrede. „Gottes Schöpfung achten“ stand darüber. Das bedeute nicht, vor Ehrfurcht zu erstarren, sondern Licht, Himmel, Wasser und Wind wie auch Kälte, Sturm und Dürre bewusst wahrzunehmen.
Das wäre bereits ein Schritt in Richtung Bewahrung der Schöpfung. Er zeigte auf, dass ein Land wie Deutschland zwar nur zwei Prozent der weltweiten Emissionen erzeuge, aber eben auch nur ein Prozent der Weltbevölkerung ausmache. „Der Verbrauch der Schöpfung hat uns Wohlstand gebracht“, sagte er.
Deshalb sei es unausweichlich, sinnvolle Wege zum Gegensteuern zu finden. Gerade in Kreuzberg gebe es reichlich Beispiele von individueller Selbstkasteiung und Lifestyle im Namen des Klimaschutzes: Drei Pullover übereinander und Lastenrad – so würde man dem Problem nicht beikommen. Politik lebt von gemeinsamen Ideen. Die Energieunternehmen, die er berät, setzen auf klimaneutrale Versorgung ihrer Kunden mit Wind und Fotovoltaik. Das und günstiger Wohnraum in gedämmten Häusern wären gute Beiträge. Nach der Rede schlossen sich Musik, Vaterunser und Segen an. Stehtische und Getränke luden die etwa zwei Dutzend Besucher ein, ins Gespräch zu kommen.