Kameramann, Seemannsfrau, Schriftsteller

Blick in die Runde des ökumenischen Gesprächskreises 50+ in Michendorf. Foto: Andrea von Fournier

Ein ökumenischer Kreis spricht über eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Nicht Wissenserwerb ist das Ziel, sondern Austausch, Diskussion und Spaß an der Gemeinschaft.

Einmal in der Woche geht es im „Haus St. Georg“, dem Zentrum der katholischen Pfarrgemeinde St. Cäcilia in Michendorf bei Potsdam, besonders lebhaft zu. Der moderne Bau am früheren Klostergelände beherbergt neben Caritas, zwei Wohnungen, der Pfarrei und dem Familienzentrum verschiedene Zweckräume. Zwischen Kinderwagen schiebenden Müttern und Vätern, die eilig der Tür zum Familienzentrum entgegenstreben, mischen sich am Donnerstagvormittag Frauen und Männer im fortgeschrittenen Alter in freudiger Erwartung. Manche sind hierher gelaufen oder kamen mit dem Rad, ein Paar von oben aus dem Haus, andere mit dem Auto.

Nachfrage übersteigt das Angebot

Fast 20 Teilnehmer zählt der quirlige „Ökumenische Gesprächskreis 50+“, der jede Woche zum Austausch einlädt. Ordensschwester Ute, Dominikanerin, die jahrzehntelang im „Norberthaus“ nebenan arbeitete, hat ihn 2005 ins Leben gerufen, weil die katholische Kirche viele Angebote für junge Menschen bereit hielt, für Ältere aber kaum. Bis vor vier Jahren hatte Schwester Ute die Fäden für den Kreis in der Hand. Ihre Idee, ein Gesprächsformat für Christen und Nichtchristen zu installieren, hat sich hier bis heute bewährt. So sehr, dass die derzeitige Leiterin, Monika Mayer, neuen Interessenten absagen muss, die gern zu den Treffen kämen.

„Eine Gesprächsgruppe funktioniert gut, wenn sie maximal ein Dutzend Teilnehmer hat, wir sind ohnehin schon mehr und können uns nicht ausweiten“, erklärt sie. Für einen zweiten Kreis gibt es keine Kapazitäten. Denn dem Ziel ihrer Runde, sich zu religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Fragen auszutauschen, wollen die Michendorfer unbedingt treu bleiben. Es macht den Erfolg des Formats aus. „Jeder wird angenommen, so wie er ist!“, erklärt Schwester Ute, weshalb sich die Mitglieder in der familienähnlichen Atmosphäre so wohl fühlen. Die Teilnehmer kommen aus Michendorf, wo mehrere von ihnen früher mit Behinderten im Norberthaus gearbeitet haben, aber auch aus Beelitz, Fichtenwalde oder Wilhelmshorst.

Teilnehmer bringen eigene Biografie ein

Bei jeden Treffen steht ein neues Thema auf den Plan, das zuvor von den Teilnehmern, von Monika Mayer oder Schwester Ute vorgeschlagen und von den anderen akzeptiert wurde. Manches ergibt sich aus vorhergehenden Themen, manches aus den Lebensläufen der Akteure selbst: Ein ehemaliger Kameramann spricht über seine Arbeit, ein Schriftsteller, eine Seemannsfrau zurückblickend über den Alltag.

Im Frühjahr wird „Das Ehrenamt – Bereicherung oder Belastung?“ auf dem Programm stehen. Außerdem werden die Senioren mit ihrem weiten und unterschiedlichen Blick darüber diskutieren, ob Glück der Sinn des Lebens ist oder die Kirche heute noch Bedeutung dafür hat. Es werden Videos gezeigt, mal Musik oder Gedichte gehört. Es kommen auch Gäste in die Runde. Zu Festen stehen Kaffee und Kuchen auf dem Tisch. „Vor Corona haben wir jedes Jahr eine Fahrt mit der Evangelischen Frauenhilfe gemacht, sind auf Fontanes und anderen Spuren gewandert“, so Schwester Ute.

Sie wird jede Woche aus ihrem Domizil im Nachbardorf zum Gesprächskreis mitgenommen und ist froh darüber, dass es hier so lebendig und warmherzig zugeht. Freundschaften sind entstanden und viele Senioren kommunizieren und helfen sich auch im Alltag. Ihre Interessen sind gut gemischt, das ist ein Elixier für die Gruppe. Ein früheres Pfarrerehepaar war gerade in Wien und erzählt davon, während es mitgebrachte Mozartkugeln verteilt. Einige Teilnehmer führte der Verlust des Partners in den Kreis, den sie nicht mehr missen wollen. Alle sind dankbar für die Möglichkeit, außerhalb der eigenen vier Wände Gleichgesinnte zu treffen.