„Kein reiner Strukturprozess“

Generalvikar P. Manfred Kollig sprach vor dem Diözesanrat über Kirchenentwicklung. | Fotos: Cornelia Klaebe

Was trägt und leitet uns? Wie wollen wir in Zukunft Kirche sein? Mit diesen
Fragen setzte sich der Diözesanrat in seiner Vollversammlung auseinander.

„Die Lebenswirklichkeit ist der Anknüpfungspunkt jeder Pastoral.“ Getreu diesem Wort begann Generalvikar Pater Manfred Kollig seinen Impuls zu den Fragen: „Was trägt uns? Was leitet uns? – Kirchenentwicklung heute“ vor der Vollversammlung des Diözesanrats mit einem kurzen Film, der Bilder mitten aus dem Leben, mitten aus der Welt zeigte. Seinen eigenen Vortrag begann er mit dem Satz von Alfred Delp: „Die Welt ist Gottes so voll.“ Kirche sei dort, „wo wir menschlich miteinander umgehen“, sagte P. Manfred. Das könne auch sein, wenn in der vollen U-Bahn einer seinen Sitzplatz für einen anderen frei mache, der von Gott und Christus nichts wisse.

Perspektiven eröffnen und Dinge ausprobieren

„Kirche der Zukunft muss interaktiv, integer und integrierend sein“, sagte der Verwaltungsleiter des Erzbistums. Die gesellschaftlichen Realitäten gelte es mit Offenheit und „innerer Freiheit“ wahrzunehmen: „Vielfalt ist weder schlecht oder gut, sie ist einfach ein Zustand, den man annehmen muss.“ Mit Blick auf den laufenden Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ warb der Generalvikar für ausgewogene Entscheidungsfindungen. Dabei müsse unterschieden werden zwischen Fakten, Gefühlen, Personen und Sachen: „Alles muss auf den Tisch, alles hat seine je eigene Bedeutung.“

Zugleich warnte Kollig davor, zu starre Konzepte bei der Gestaltung der Zukunft des Erzbistums durchzusetzen: „Es ist ein Prozess und der muss auch kommenden Generationen Gestaltungsmöglichkeiten lassen.“ Ziel sei, „dass wir Perspektiven eröffnen und Dinge ausprobieren – auch auf die Gefahr hin, dass es sich am Ende als falsch herausstellt“. Weiterhin warnte P. Manfred davor, unliebsame Reformen hinauszuzögern: „Dass etwas schwierig ist, heißt nicht, dass ich darüber nicht traurig sein darf. Aber die Entscheidung nicht zu treffen, macht die Sache auch nicht besser.“

Kollig betonte: „Wenn man die Bistumsreform als einen reinen Strukturprozess wahrnimmt und darauf reduziert, dann haben wir nichts gewonnen.“ Die Kirche der Zukunft müsse zudem „die synodale Struktur viel ernster nehmen, und darin sollten alle Getauften sich wirklich einbringen können“. Zugleich warnte er davor, die Lebenswirklichkeit in der Welt zu verkennen: „Wir sollten nicht mit fertigen Konzepten kommen, bevor wir die Sorgen und Nöte der Menschen um uns herum wirklich wahrgenommen haben.“ Er bekannte sich zu einer Ökumene, die „das Mögliche gemeinsam“ tut – und schlug vor, parallele Verwaltungsstrukturen in den Blick zu nehmen. Die Laienvertreter rief er dazu auf, eine Kirche mitzugestalten, die „immer und unter allen Umständen in Beziehung bleibt“.

Im Anschluss an den Impuls setzten sich die Mitglieder des Diözesanrats in Tischgruppen mit den Fragen nach Sendung, Communio (deutsch: Gemeinschaft), Teilhabe, Leitung und Charismenorientierung im Erzbistum Berlin auseinander. An einem „leeren Tisch“ konnten weitere Themen eingebracht werden; hier wurde unter anderem über die Krise des Gottesbildes in der Gegenwart, über die Bewahrung der Schöpfung und Authentizität gesprochen. Die Ergebnisse der Gruppen sollen in einem Positionspapier zusammengefasst werden.

Reinhold Thiede in den Vorstand nachgewählt

Sieben Mitglieder der Vollversammlung brachten spontan einen Antrag ein, die Ergebnisse des Studienteils zu nutzen, um die Strukturen und Arbeitsweisen des Diözesanrats kritisch zu reflektieren – insbesondere in Hinblick auf Fragen der Leitung und der Teilhabe. Die Eingabe wurde nach einiger Diskussion mehrheitlich angenommen.

Der Vorsitzende Bernd Streich begrüßte in der Vollversammlung die neue Geschäftsführerin Diana Freyer. Gewählt wurden als neues Vorstandsmitglied Reinhold Thiede für die im Februar zurückgetretene Maria Sternemann und als Vertreterin des Diözesanrats in der Caritas-Delegiertenversammlung Kristin Wedekind (geborene Platek), jeweils ohne Gegenkandidaten.