Sie kannten die Philippinen nur aus Urlaubserzählungen, als Gemeindereferentin Regina Harzdorf und Pastoralreferent Markus Papenfuß von der Stabsstelle „Wo Glauben Raum gewinnt“ vom Erzbistum zu einer pastoralen Lernreise ans andere Ende der Welt eingeladen wurden. Bereits 2014 waren Pfarrer und Leitungsverantwortliche des Erzbistums Berlin im Rahmen einer Priesterfortbildung in die Gegend um die philippinische HauptstadtManila gereist. Im Blick auf die sich bildenden pastoralen Räume in Berlin, Brandenburg und Vorpommern haben sie intensiv Eindrücke aus einer anderen Ortskirche gesammelt, um sich den eigenen Herausforderungen mit einem erweiterten Horizont stellen zu können. Dazu zählen vielfältigere Formen von Leitung, neue Wege der Beteiligung, Glaubensweitergabe in sich verändernden Kontexten, Verlebendigung des gemeinsamen geistlichen Lebens, liturgische Vielfalt oder die Sendung ins soziale Umfeld. Vom 24. November bis 10. Dezember haben sich Gemeindeund Pastoralreferentinnen sowie Verantwortliche des geistlichen Prozesses auf den Weg gemacht. Vom 23. Februar bis 10. März wird eine weitere Gruppe von Priestern und Diakonen zu den Philippinen aufbrechen.
„Gemeindeaufbau und -gestaltung beeindruckten“
„Wir haben viel über das katholische Leben auf den Philippinen gelernt“, sagt Markus Papenfuß, stellvertretender Leiter der Stabsstelle des Erzbischofs. „Aber man kann natürlich nicht alles eins zu eins übersetzen.“ So entsprechen etwa auf den Philippinen die Pfarreien dem, was im Erzbistum Berlin die pastoralen Räume sein werden. Eine Pfarrei besteht auf den Philippinen aus mehreren Kapellengemeinden – ähnlich unseren Kirchengemeinden – und die wiederum bestehen aus mehreren kirchlichen Basisgemeinden. „Gemeindeaufbau und Gemeindegestaltung haben mich in diesem Rahmen sehr beeindruckt“, sagt Papenfuß. Aber wie übersetzt man das? „Ich sammle gerade Wörter“, sagt Papenfuß. „Wie übersetzt man Partizipation? Wie Gnade? Auch innerhalb von Deutschland, von Berlin, unserer eigenen Gemeinde?“ Auf der Reise sei ihm aufgefallen, wie wichtig eine beständige Übersetzungsarbeit ist, will man den christlichen Glauben heute weitertragen. Ihm ist aber auch aufgefallen, dass er in der 15-köpfigen Gruppe aus dem ganzen Erzbistum die Leute erst richtig kennenlernen musste. „Viele kannte ich schon. Aber ich wusste nicht, was die Einzelnen wirklich an ihrem Glauben bewegt“, betont er. „Wir haben sehr viel über unseren Glauben gesprochen.“ Dazu habe auch der ferne Ort beigetragen. „Weltkirchliche Lernreisen sind ähnlich kostbar wie gute Exerzitien“, sagt Vera Krause, Leiterin der Stabstelle Weltkirche/Dialog mit den Religionen, die gemeinsam mit Dieter Tewes, Referent für Teamentwicklung im Erzbistum Berlin, die Reise vorbereitet und geleitet hat. „Es ist notwendig, wirklich rauszukommen, um das Leben zu Hause – auch das kirchliche Leben – reflektiert und mit innerem Freiraum neu anschauen zu können.“ Es habe auch nie ein Handy geklingelt und die Gespräche und Begegnungen unterbrochen, keiner konnte zwischendurch ins Büro oder doch noch mal schnell im Pfarrbüro anrufen. „Wir waren mal weg und dadurch präsent“, sagt Krause, „konnten uns so gut auf eine Ortskirche einlassen, die schon viel länger als wir Erfahrung hat mit kirchlichem Leben in größeren pastoralen Räumen.“ „Ich fand es sehr spannend, wie auf den Philippinen das kirchliche Leben spirituell aufgebaut ist“, sagt Regina Harzdorf, Gemeindereferentin in St. Josef und Corpus Christi im Dekanat Pankow. „Bestenfalls fangen Pfarrgemeinderatssitzungen bei uns doch mit einem kleinen Impuls an, aber meistens geht es sofort ums Organisatorische.“
Auf den Philippinen habe Harzdorf erfahren, wie jedes kirchliche Treffen mit einem Bibelteilen beginnt. „Das ist dort ganz selbstverständlich“, erzählt sie. Die Menschen nähmen sich Zeit, erst einmal Gott und ihrem eigenen Leben im Licht des Glaubens Platz zu geben. „Etwas Rituelles könnten unsere Versammlungen auch gut gebrauchen. Es muss ja nicht unbedingt das Bibelteilen sein, aber wir sollten lernen, das Wort Gottes einzuholen. Vielleicht gibt es das in anderen Gemeinden, aber ich erlebe das höchst selten.“ Auf den Philippinen brächten die Katholiken beim Bibelteilen sich und ihr Leben ganz aktiv in das kirchliche Leben und in die Begegnung mit Gott ein. Sie erzählen dabei von kranken Verwandten oder den eigenen Kindern, die nicht mehr nach der katholischen Tradition leben. „Und in Deutschland?“, fragt die Gemeidereferentin. „Hier weiß doch oft niemand, wie es dem anderen wirklich geht.“
Erlebte Gastfreundschaft war überwältigend
Dass Gemeinschaft ein echtes Qualitätsmerkmal von Gemeinde sei, gehöre zu den positiven Erfahrungen der Reise auf die Philippinen. „Wie die überwältigende Gastfreundschaft, die wir dort erfahren haben“, finden sowohl Papenfuß als auch Harzdorf. „Manchmal war die aber auch schwer auszuhalten“, sagt die Mutter von drei Kindern, „wenn für uns Gäste viel zu viel Essen da war und wir dann an mitunter ärmlichen Hütten vorbei zurück ins Bukal-Institut gefahren sind“. Doch auch hier gab es Erhellendes zu lernen: Das „zu viele“ Essen ist bewusst für alle da, die generell zu wenig haben. Die ärmeren Familien nehmen vom festlichen Essen in der Kirche stets eine ordentliche Portion mit nach Hause, wo es an den kommenden Tagen für die gesamte Großfamilie reicht. Dass das Tagesgeschehen in der Kirche immer wieder in konkrete Taten umgesetzt wird, beindruckt Harzdorf auch anderenorts. Zum Beispiel als am Ende eines kirchlichen
Basisgemeindetreffens in einer der Adventswochen alle gemeinsam loszogen, singend und mit Kerzen in den Händen, um die Alten und Kranken in der Gemeinde zu besuchen. Es blieb also nicht einfach beim Denken an die, die nicht dabei sein konnten. Überhaupt habe ihn die „Willkommenskultur“ auf den Philippinen sehr berührt, fügt Papenfuß hinzu. In der Kirche oder einfach auf der Straße. Selbst in den ärmsten Gassen, wo sich auch mal ein mulmiges Gefühl einstellen kann, seien die Menschen – auch die, an denen man eigentlich nur vorbeiging – sehr zugewandt. „So etwas kennen wir in Deutschland nicht, auch nicht in unseren Gemeinden.“ Am Ende sind sich Regina Harzdorf und Markus Papenfuß einig: „Das, was wir erlebt und erfahren haben, hätten wir uns nicht erzählen lassen oder in Büchern nachlesen können. Es lebt vom Erleben. Genau das hat uns bereichert!“ Dass Menschen zusammenkommen und auf den selbst mitgebrachten Stühlen Platz nehmen – und plötzlich ist da Kirche.
Ja, davon könne man viel lernen!