„Mutmacher“ wollen sie sein: Die Mitarbeiter der Bahnhofsmission am Berliner Hauptbahnhof. Dafür hören sie zu, kümmern sich um Sorgen und bringen Menschen in Kontakt – seit Februar auch mit einem eigenen Chor.
Wer hat Lust am Singen im „Chorprojekt ICE“? Und das im Berliner Hauptbahnhof. Ganz genau in der Bahnhofsmission im 1. Obergeschoss. „Musik soll die Herzen im Hauptbahnhof erwärmen“, sagt Chorleiter Rainer König, Kirchenmusiker und Mitarbeiter der „Mutmacher am Bahnhof“. Verknüpft ist das Mutmacher-
Projekt mit der Bahnhofsmission, die sich auf Beratung von Menschen in Krisensituationen spezialisiert hat.
„Mutmacher“ steht statt „Seelsorger“ auf den blauen T-Shirts, weil es um eine religionsneutrale Beratung geht. Freilich werden dabei religiöse Ressourcen genutzt und in die Beratung eingebunden. „Na, du Mutmacher“, wird König auf seinen Rundgängen über die vier Etagen schon mal flapsig angesprochen.
Doch freut er sich darüber, weil er sich genau so versteht. „Ich wüsste nichts, was ich lieber täte.“ Träger dieser Idee sind IN VIA (Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit für das Erzbistum Berlin), der Verein für Berliner Stadtmission und die Stiftung Deutsche Bahn AG.
Gemeinsam Lösungen entwickeln
König, vor 20 Jahren in Freiburg bei der Bahnhofsmission gestartet, gibt auch Kurse für die vielen Mitarbeiter in ganz Deutschland. Allein im Berliner Hauptbahnhof sind es fünf Hauptamtliche, sechs Freiwillige (Freiwilliges Soziales Jahr und Bundesfreiwilligendienst) und mehr als 40 Ehrenamtliche. So hat sich die Arbeit deutlich professionalisiert, die Gespräche sind strukturiert und legen den Fokus auf die Probleme der Besucher und deren Lösung. „Wir schnüren das Paket der Sorgen auf und machen kleinere
Päckchen daraus.“ Lieber hilft König bei der „Sortierhilfe“ und entwickelt gemeinsam Lösungen, statt feste Ratschläge zu geben. Es gibt viele Erfolgsgeschichten. So war Peter Breuer (Name geändert) nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz kaum noch bewegungsfähig vor Angst. Im Beratungsgespräch zeigte sich, dass er gern Klavier spielt.
„Auf den Tasten hat er seine Angst einfach weggespielt und konnte nach einer halben Stunde wieder normal gehen.“ Typisch ist auch die Geschichte von Elvira Maikesch (Name geändert). Ihre Tochter im Freiwilligen Sozialen Jahr war magersüchtig, wegen Nierenversagens drohte ihr der Tod. Der Bruder war gerade verstorben, der Lebensgefährte ertrunken. Unter vielen Tränen klärte sich ihr Lebensgefühl, mit dem sie bisher aus eigener Kraft Probleme stemmen konnte. Dabei kam ein Schlüsselerlebnis zu Tage, wie ihre zwei Hunde sie mit Hilfe eines Stocks aus dem Moor gezogen hatten. Ein Geschenk für Rainer König. „Und jetzt suchen Sie den Stock für Ihre Tochter?“, war seine Anregung, die half.
Jeder hat für ihn verdient, als Individuum wahrgenommen zu werden, selbst der zigste Zeitungsverkäufer. So steht es auch im Leitbild der Bahnhofsmission: „Gott will und liebt jeden einzelnen Menschen, er nimmt ihn an – auch in Scheitern und Schuld.“ Ein Psychiater begleitet die Mutmacher dabei, Menschen auf die Spur zu bringen. „Wir sparen den Krankenkassen viel Geld.“ Denn es wird nicht diagnostiziert, sondern in der speziellen Situation konkret geholfen. „Ich habe für mich verinnerlicht, den menschenfreundlichen Gott sichtbar zu machen. Dahinter stehe ich.“
Repertoire: Populäre und geistliche Melodien
Im Raum der Stille steht ein schwarzes Piano, als Anschubfinanzierung gestiftet von der Aktion Mensch. Seit Februar versammeln sich darum jeden Dienstagabend von 18 bis 19.30 Uhr Singfreudige. Ihr Repertoire reicht von populären bis zu geistlichen Melodien. Mit dem Chor in Trägerschaft von IN VIA sollen Menschen in Kontakt kommen, die sich sonst nicht kennenlernen würden. „Mit der universellen Sprache der Musik wollen wir etwas mehr Wärme und Herz in den Hauptbahnhof bringen“, so König.
Nähere Informationen:
Näheres zum „Chorprojekt ICE“:
030 / 22605805 oder chor(ät)bahnhofsmission.de