Nahbar bleiben, jetzt erst recht

Foto: Luzia Hömberg

Wie geht es den Seelsorgern in der Corona-Pandemie? Was brauchen sie für ihre Arbeit? Diese Fragen stellten Mitarbeiter des Bereichs Pastoral im Erzbistum in einer Onlinekonferenz: „Nah dran?! Seelsorge in besonderen Zeiten.“


„Als die Kirchen im ersten Lockdown schlossen, meinte ein Priester zu mir, jetzt habe er eigentlich frei. Ich war schockiert“, berichtete Diakon Thomas Greiner aus der Berliner Pfarrei St. Franziskus bei der Onlinekonferenz des Erzbistums für hauptamtliche und ehrenamtliche Seelsorger. Dabei habe doch die seelsorgliche Arbeit damals gerade erst richtig angefangen. In einem geistlichen Impuls erzählte der Diakon: „Meine Frau und ich schnappten uns unser Telefonbuch und riefen Menschen aus der Gemeinde an.“ Zu Ostern besuchten sie die Menschen zu Hause, draußen vor der Tür und mit Abstand. Seine Meinung: „Geht zu den Leuten. Christus wartet nicht nur in den Kirchen. Geht hin und helft da, wo es möglich ist!“

Rund 50 ehren- und hauptamtliche Seelsorger und Interessierte aus dem ganzen Erzbistum trafen sich Anfang Februar zur Seelsorgekonferenz „Nah dran?!“ In der Corona-Zeit wollte ein Team des Bereichs Pastoral im Erzbischöflichen Ordinariat von den Seelsorgern hören, wie es ihnen geht, welche Wege möglich sind und welche Hürden es gibt. „Der Virus setzt uns Grenzen in all unseren Beziehungen, persönlich und in der Gemeinde. Die Regeln der Distanz, die Frage, wer systemrelevant ist – alles trifft den Kern der seelsorglichen Arbeit“, sagte Luzie Hömberg, die die Krankenhausseelsorge im Erzbistum koordiniert. „Nahe dran sein, ist der Dienst, den wir leisten wollen.“, ist sie überzeugt, fragt sich aber auch, wie das gehen kann.

Vera Markert, Krankenhausseelsorgerin in der Berliner Charité, ist sich sicher: „Unsere physische Präsenz ist das kostbarste, was wir geben können. Das haben sich die Pflegenden in die Präambel geschrieben, und das war und ist auch in der Krankenhausseelsorge möglich.“ Dennoch stellte sie die neue Situation vor intensivere Aufgaben: „Seelsorge ist mehr als nur ‚Händchen halten‘. Ich muss professionell sein, war aber darauf zurück geworfen, alles selber zu organisieren.“ Das kostete Kraft. Vor allem weil die Einbeziehung des Ehrenamtes kaum möglich war und ist. Denn gerade in so sensiblen Bereichen wie dem Krankenhaus sind Ehrenamtliche derzeit nicht zugelassen.

Diese Erfahrungen musste auch Ursula Rose machen. Sie ist die Koordinatorin des Hospizdienstes „Palliative Geriatrie Nord“. Darüber hinaus ist sie ehrenamtliche Seelsorgerin in einem Seniorenheim. „In dieser Funktion komme ich aber nicht in das Heim hinein.“ In ihrer Rolle als Hospizdienstkoordinatorin könne sie aber durchaus darauf einwirken, dass ehrenamtliche Begleiter in die Heime gehen können.

Rechtliche Unsicherheiten wurden während der Konferenz sichtbar, denn die Corona-Verfügungen sind in jedem Bundesland andere. Zudem hätte das Pflegepersonal in manchen Seniorenheimen Vorurteile gegenüber der Kirche. Außerdem sei der Zugang für Nicht-Kleriker deutlich erschwert. Ein Mann mit Kollar komme leichter in Einrichtungen, hat Ursula Rose beobachtet. Hilfreich könnte sein, wenn die Seelsorger einen offiziellen Ausweis des Erzbistums vorlegen könnten, schlug sie vor. „Der Bedarf bei den Menschen ist enorm, die emotionale Not ist sehr groß“.

Auch Antje Hering von der ambulanten Hospiz- und Palliativberatung der Malteser in Berlin berichtete von ihrer Arbeit vor Ort: „Es ist eine besondere Situation, in die wir uns auch erstmal reinfinden mussten.“ So besuche zum Beispiel eine Ehrenamtliche immer noch eine schwerkranke Frau daheim, mit Maske und Abstand. Telefonisch kläre sie ihr Kommen jeweils vorher ab. Wenn der Inzidenzwert über 200 geht, telefonieren sie nur. Auch Spaziergänge mit Angehörigen sind oft möglich, weil diese ja in den Seniorenheimen zugelassen sind.

Auch Pfleger und Ärzte brauchen Seelsorge

Nach einigen Impulsen ging es in Online-Kleingruppen weiter. Seelsorgerin Corina Martines erzählte, dass sie jetzt geimpft werde und dann im Krankenhaus auf die Corona-Station dürfe. In Anbetracht der sehr vielen Sterbenden bräuchten jetzt gerade auch die Mitarbeiter Seelsorge. „Sie sind nicht darauf vorbereitet“. Corina Martines plane auch Andachten und Gesprächsangebote für das Personal. Dass sie schon so bald geimpft werde, sei ein guter Zufall, jedoch nicht Gang und Gäbe. In der großen Runde fragte Notfallseelsorger Bruder Norbert Verse dann auch: „Bemüht sich die Kirche, dass Seelsorger geimpft werden können?“ Im Impfplan seien sie ja nicht aufgeführt, zumindest nicht weit vorne. Jurist Gregor Engelbreth vom Katholischen Büro hält es für sinnvoll, wenn Seelsorger in ihren Einsatz-Gebieten mit geimpft werden, Krankenhausseelsorger zum Beispiel gemeinsam mit dem medizinischen Personal.

Hermann Fränkert-Fechter aus dem Bereich Seelsorge möchte auch den Selbstschutz der Haupt- und Ehrenamtlichen ernst nehmen, etwa die Ängste vor eigener Ansteckung oder der Übertragung des Virus an die Familie. Das Telefon oder auch der Brief bekämen in der Seelsorge eine größere Bedeutung, meinte er. Eine Teilnehmerin hob den Wert des begleitenden Gebets hervor. ,Gerade Menschen, die nicht hinausgehen dürften, könnten andere durch ihr Gebet unterstützen.

Auch das Totengedenken für alle an Covid-19 Verstorbene sollte nicht vergessen werden, betonte Nicola Banach aus dem Bereich Liturgie. So soll es am 27. Februar bundesweit Gottesdienste für die Verstorbenen geben. Auf der Internet-Seite des Erzbistums Berlin werde es dafür zeitnah Anregungen für die Gemeinden geben.