Für Religionslehrer hat sich der Arbeitsalltag durch die Pandemie erheblich verändert. Sie haben neue Unterrichtsmethoden für sich entdeckt. Häufig wirken sie nun vorrangig als Seelsorger.
Während der langen Zeit des Corona-Lockdowns war der Präsenz- Unterricht republikweit zeitweise völlig eingestellt, bevor Abschlussklassen, dann Grundschüler nach verschiedenen Modellen in den Bundesländern wieder in ihren Klassenräumen zusammenkamen. Eine besondere Anforderung für Lehrer aller Fachrichtungen. Weil jedoch in Deutschland noch immer das Prinzip der „Haupt“- und „Neben“- Fächer gilt, fand wohl in den seltensten Fällen Religionsunterricht als Präsenzunterricht statt. Das bestätigen Gespräche mit Lehrkräften für katholischen Religionsunterricht in Berlin und Brandenburg durchweg. Viele von ihnen fühlten sich in dieser Situation in der Pflicht, so gut und eng es geht, Kontakt mit ihren Schülern zu halten. Sie spürten deren Druck, ausgelöst auch durch die Arbeitsbelastung des schulisch angeleiteten Lernens zu Hause in den Hauptfächern. Er brachte manche Familie an ihre Grenzen, und Angebote des Religionsunterrichts traten in den Hintergrund. „Viele Kollegen haben deswegen ihre Beiträge in die pastorale Richtung angepasst und ausgeweitet“, erklärt Claudia Bütow, Fachleiterin für Religionsunterricht beim Erzbischöflichen Ordinariat in Berlin.
Die rasche Einarbeitung in digitale Technik war ein neuer Aspekt der Arbeit, der Veränderungen in Didaktik und Unterrichtsmethodik erforderte. Neue Wege wurden beschritten und mancher Lehrer ist daran gewachsen: „Darauf bin ich stolz!“, sagt Claudia Bütow. Sie hat einen guten Überblick, welche Hürden die Lehrkräfte nehmen mussten, um Unterrichtsinhalte weiter an die Schülerschaft zu bringen. Eine zentrale Rolle spielt in Berlin, Brandenburg und Vorpommern der Stand der Digitalisierung.
Das kann Kathrin Hoppe aus Kyritz nur unterstreichen. Die Prignitz ist ein fast legendärer „weißer Fleck“ beim Netzausbau. Die Religionslehrerin unterrichtet in der Kirchengemeinde die Grundschüler und hat an der staatlichen Oberschule in allen Klassenstufen von sieben bis zehn jeweils eine Lerngruppe. 126 Schüler von 260 insgesamt werden von ihr an der Oberschule betreut. Als sie vor acht Jahren hier mit katholischer Religion startete, waren es gerade mal sieben. Außerdem ist sie Schulseelsorgerin.
Zwei Lehrerinnen als Beispiel für viele
Zurzeit gibt Kathrin Hoppe den Zehntklässlern Präsenzunterricht. Alle anderen Schüler erreicht sie durch 14-tägliche Videokonferenzen mit Unterrichtsgesprächen, Präsentationen und Videos. In der darauffolgenden Woche gibt es Aufgaben. Die Lösungen senden die Schüler digital zurück. Die Schule ist an die Schulcloud Brandenburg angebunden. Doch nicht alle Schüler haben Endgeräte, manche keine Kameras oder Mikrofone. Dazu kommt das Problem des instabilen Internets. Dass sich Schüler mehrfach neu einwählen müssen, kommt häufiger vor. Oder dass die Lehrerin ihr Gegenüber nicht sieht oder hört. Vielleicht ist es gerade gar nicht am Platz? „Man kann das trotzdem entspannt machen“, ist sie überzeugt. Mancher ihrer Schüler hat ein „Extrapaket“ zu schultern, lebt in einer Wohngruppe oder bei Pflegeeltern. Und wenn der Bruder das Tablet braucht, weil der zur selben Zeit Deutsch hat – da treten die „kleinen Fächer“ eben zurück. Kathrin Hoppe legt Wert auf die Rückmeldung ihrer Schüler, auch in Corona-Zeiten. Sie will die jungen Menschen in der interreligiösen Schule auf Augenhöhe bringen, sie bewegen, voneinander zu lernen und Vorbehalte abzubauen. Dazu diente ihre AG „Kochen nach Abrahams Rezepten“. Weil die nicht mehr lief, versucht sie, Elemente davon in den Unterricht einzubauen. Das würden die Schüler gern annehmen.
„Extras“, die pädagogisch weitsichtig und anschaulich sind, hat auch Andrea Biernath in ihren Unterricht aufgenommen. Die promovierte Berlinerin hat sich mit dem ersten Lockdown „neu erfunden“ und ist erstaunt und überglücklich darüber. Nie hätte sie gedacht, dass sie nach über 20 Jahren katholischem Religionsunterricht alles umstürzen und neu aufbauen könnte. Sie unterrichtet Fünf- bis 19-Jährige in Berlin-Zehlendorf, seit zehn Jahren an einem staatlichen Gymnasium, seit sieben Jahren an einer Montessori-Schule. Beide Schulen waren vor dem Lockdown unterschiedlich weit bei der Digitalisierung, doch sie stellten sich schnell darauf ein. Die Schüler haben Endgeräte. Am Gymnasium wurden nur Abschlussklassen unterrichtet. An der Montessori- Schule wurden „Hauptfächer“ gegeben, die Betreuung durch die Lehrerschaft neu organisiert. Andere Unterrichtsformate entstanden. Wo es Vorbehalte der Eltern gegen digitalisierten Unterricht gab, stellte Andrea Biernath Arbeitsblätter bereit.
Kreative Erklärvideos auch künftig nutzen
Sie schuf eine Website für ihre jüngeren Schüler, als es noch keine Schulcloud gab. Hier laufen inzwischen Videos, die sie mit einem befreundeten Fotografen aufnimmt. Therapie- und Egli-Puppen erklären den Kindern Ursprung und Sinn christlicher Feiertage, gehen St. Martin auf den Grund, vermitteln über das Puppenmädchen Mia den Umgang mit Freuden, Sorgen oder Ängsten und knüpfen eine ganz enge Beziehung zu den Heranwachsenden.
Die Lehrerin näht, zeichnet und bastelt, spricht Dialoge, führt die Puppen und wählt eine verständliche Form der Wissensvermittlung, die die Kinder gern annehmen. Inzwischen hat Andrea Biernath eine weitere Website für Kirchengemeinden kreiert. Sie erwägt, mit ihren aufwendigen Geschichten einen Youtube-Kanal zu erstellen, weil sie überzeugt ist, dass man im 21. Jahrhundert nicht in der Kirche auf Gläubige warten kann.
„Warum sollen wir das Netz nur anderen überlassen?“, fragt sie. Ihre Schüler sind glücklich mit der neuen Form der Wissensvermittlung und die Lehrerin möchte das Begonnene nach der Pandemie fortsetzen. Sie setzt auf die Kraft „schöner Bilder“.