„Unser Herrgott braucht Leute“

125 Jahre Prenzlauer Pfarrkirche St. Maria Magdalena: „Erbaut 1892, zerstört 1945, errichtet 1951“ steht auf einer Marmorplatte neben dem Eingang. | Foto: Marina Dodt

Am 1. Dezember hat in Prenzlau der lebendige Adventskalender Premiere. Gefüllt wurde er auch von Mitgliedern der katholischen Gemeinde. Dabei hat sich Spannendes eröffnet – ein Beitrag der Serie „Katholisch in Brandenburg“.

Im Prenzlauer Dominikanerkloster herrschen Spannung und Vorfreude. Das heutige Kulturzentrum und Museum lädt zum ersten lebendigen Adventskalender der Uckermärkischen „Hauptstadt“ ein. Seine Initiatorin ist Cäcilia Genschow, die hier als Museologin tätig ist und zur katholischen Pfarrei „St. Maria Magdalena“ gehört. Sie ist dankbar, dass das Kloster und die Stadt als Träger dieser Idee Raum gaben – als Oase der Besinnung und Begegnung im vorweihnachtlichen Trubel, die zugleich neue Einblicke in Vergangenheit und Gegenwart schenkt.

Den Auftakt dazu macht am ersten Adventswochenende ein klösterlicher Adventsmarkt, der mit seinem historischen Ambiente im Kreuzgang und im Friedgarten in das Mittelalter entführt. In dieser Zeit war Prenzlau geistliches Zentrum mit gleich drei großen Klöstern, mächtigen Kirchen und stolzen, hoch aufragenden Türmen. Heute sind die Christen in der Minderheit, leben speziell die Katholiken in einer extremen Diasporasituation mit dennoch beeindruckendem Engagement, wie ein Besuch nach der freitäglichen Werktagsmesse in St. Maria Magdalena zeigt.

Der „dienstälteste Ministrant der Welt“

Knapp 20 Gläubige sind heute gekommen, finden sich im Anschluss wie jeden Freitag gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Menze zu einer Kaffeerunde ein. Einer der Stammgäste ist der 94-jährige Herbert Brettschneider, ein Prenzlauer Urgestein und Original, der 45 Jahre lang als Diakonatshelfer auf den Außenstationen und fast 85 Jahre als Messdiener wirkte. Dieser Rekord brachte ihm den Ehrentitel „dienstältester Ministrant der Welt“ ein, zumindest ist das Gegenteil nicht bewiesen. Bis heute hat seine Stimme Gewicht, nicht nur als tragende zweite Stimme im Gottesdienst, sondern auch im Seniorenkreis und wo immer es um die Gemeinde geht.

Seine größte Sorge ist, „dass wir so zusammenfallen. Unser Herrgott braucht Leute“, beschreibt er mit dem ihm eigenen Humor die Situation, erinnert sich noch an eine Fronleichnamsprozession mit allein 143 Kindern. Heute gehören zehn Kinder zur insgesamt 1800 Seelen zählenden Gemeinde, einschließlich des Standortes Gramzow. Auch Kolpings-Vorsitzender Eduard Liebscher teilt diese Sorge. Die 36 Mitglieder zählende Kolpingsfamilie bezeichnet er als Motor, mit ihren zweimal monatlich stattfindenden Treffen beispielsweise mit prominenten Gesprächspartnern aus Kirche und Politik oder mit ihrer Hilfe für Asylbewerber. Dennoch fehlen die jungen Leute, die der Arbeit wegen weggezogen sind. „Es ist sehr ruhig geworden, zu ruhig“, ergänzt Siegfried Teßmann, der seine Wohnung im Pfarrhaus hat, als Küchenchef noch immer dessen gute Seele ist und dreimal wöchentlich für eine offene Kirche sorgt.

Eine Antwort auf diese Entwicklungen ist der geplante Pastorale Raum Uckermark gemeinsam mit den Pfarreien Templin und Schwedt. Allein diese beiden Standorte sind fast zwei Autostunden voneinander entfernt. Auch wenn sich heute noch niemand Seelsorge und Gemeindeleben in diesen Dimensionen vorstellen kann, eine andere Alternative erschließt sich nicht. Die Prenzlauer müssen und wollen diesen Weg mitgehen und es gibt bereits Schritte aufeinander zu.

So berichtet Eduard Liebscher von einem Besuch bei der zur Pfarrei Schwedt gehörenden Kolpingsfamilie Angermünde und einem gemeinsamen geselligen Abend. Eine Tür öffnet sich, ebenso wie schon langjährig zur Ökumene mit gemeinsamen Bibelwochen, Erntedank oder unlängst St. Martin.

Offenheit und neue pastorale Formen sind auch durch den Zuzug vieler polnischer Christen gefragt, die bereits über 40 Prozent der Prenzlauer Pfarrei ausmachen. Hier verweist Pfarrer Menze auf bilinguale Projekte in der Nachbargemeinde Pasewalk/ Löcknitz oder die Idee, polnische Feste, beispielsweise das des Brotteilens, in den Jahreskreis aufzunehmen. Die gemeinsame Vorbereitung und Feier eines solchen Festes könne Sprachbarrieren abbauen, das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen fördern, Türen öffnen. Die Gemeinde wird internationaler, auch durch gegenwärtig 12 Italiener, jeweils zwei Litauer und Österreicher sowie eine siebenköpfige Familie aus den Niederlanden, deren Familienvater gerade eine Ausbildung zum Diakon macht.

Polnische Feste in den Jahreskreis aufnehmen

Für Pfarrer Menze ein Zeichen der Hoffnung und besonderer Bestärkung, ebenso wie die großen Festgottesdienste zu Weihnachten, Ostern oder wie im vergangenen Jahr zum 125-jährigen Weihejubililäum mit einem Pontifikalamt mit dem Erzbischof, Konzertchor und Preußischem Kammerorchester. Aber auch in einer ganz alltäglichen Messe wie der am heutigen Freitag sei die große Kraft des Gebetes und der kleinen Betergemeinschaft spürbar. Dankbar ist er daher für die sehr bereichernde Gestaltung der Gottesdienste durch die Schola und die neu gegründete Taizégemeinschaft. Sie wird übrigens im Rahmen des Adventskalenders am kommenden Montag mit meditativen Gesängen im Kloster zu hören sein und die Tür zu weiteren Höhepunkten öffnen.

So wird am 6. Dezember der „echte“ Nikolaus erwartet, gibt es ein Basteln von Weihnachtskrippen, Weihnachtsbräuche in der Uckermark oder den „Nußknacker“, bevor sich dann am 24.12. mit dem Weihnachtsevangelium nach Lukas das letzte Türchen des ersten lebendigen Adventskalenders schließt. Und danach wird sich Cäcilia Genschow ganz sicher auf den Weg zur Christmette machen, sich neben ihren Vater Herbert Brettschneider setzen, der ihr einst die Tür zur frohen Botschaft öffnete.