Der Dominikanerpater Adam Rokosz will mit seiner Fotografie Menschen und Gott enger zusammenführen. In der Berliner Pfarrei St. Elisabeth sind seine Werke derzeit ausgestellt.
Wohlwissend, dass er beim Erzählen schnell ins ungebremste Sprudeln kommt, soll Adam Rokosz die eigene Vorstellung kurz halten: „Ich heiße Pater Adam. Ich bin Dominikaner. Und Fotograf.“ Beim Bühnengespräch zur Eröffnung der Ausstellung „Der nahe Blick“ in der Gemeinde St. Ansgar im Ortsteil Hansaviertel sprach der 39-jährige Ordensmann über seine Arbeit hinter der Kamera – und über die Parallelen zu seinem geistlichen Wirken.
Ausstellung ist über fünf Standorte der Pfarrei verteilt
Wie viel ihm die Fotografie bedeutet, ist schon daran erkennbar, wie liebevoll und vorsichtig er sein Werkzeug – seine Kamera – vor sich auf den Tisch legt. Was für Werke seiner Arbeit entsprungen sind, darüber konnten sich die etwa 50 Besucher der Veranstaltung schon vor Beginn ein erstes Bild machen. Sie sahen buntes Herbstlaub an einer Mauer ebenso wie einen angeleinten Hund, ein spielendes Kind auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz genauso wie eine dominikanische Ordensfrau, die im Begriff ist, ihre Mitschwestern in einem Gruppenbild festzuhalten.
Allerdings konnten sie nur ein Fünftel der Werke begutachten. Die Ausstellung erstreckt sich über fünf Standorte der 2019 neu gegründeten Pfarrei, zu der die Stadtteile Tiergarten, Moabit und Wedding gehören. Wer alles sehen will, muss auch die vier anderen Standorte von St. Elisabeth besuchen – ein kleiner Baustein zum weiteren Zusammenwachsen der Gemeinden.
Als Zweijähriger die Kamera der Mutter zerlegt
Die Kamera, berichtet der im oberschlesischen Racibórz (Ratibor) geborene Adam Rokosz, sei ihm nicht in die Hand gelegt worden, sondern er habe sie ergriffen. Und das schon im Alter von zwei Jahren, als es ihm gelang, eine Schublade zu öffnen und dort eben die Kamera herauszunehmen, die seine Mutter zur Erstkommunion bekommen hatte – und sie dann in ihre Einzelteile zerlegte.
Die Zuhörer erfahren, wie seine Mutter ihn Respekt vor dem kostbaren Material und Bedacht in der Motivauswahl lehrte, als sie dem damals Siebenjährigen eine Filmrolle für 36 Aufnahmen gab und sagte: „Wenn du die verknipst, bekommst du nie wieder eine.“ Die Berufung zum Fotografieren, bekennt der junge Priester, der mitten in der Pandemie in der Moabiter Pfarr- und Klosterkirche St. Paulus geweiht wurde, sei wie die Ordensberufung etwas, das sich im Laufe des Lebens langsam herauskristallisiert habe. Erst rückblickend könne man die Entwicklungsschritte entdecken. Ein echtes „Bedürfnis des Herzens“ sei ihm die Fotografie.
Auf die Frage wie ein Foto zur Verkündigung werde, antwortet der Dominikaner so umfassend, dass klar wird: Über diese Frage muss er selbst schon viel nachgedacht haben. „Man muss vor Ort sein, um etwas in den Kasten zu kriegen“, benennt er eine Gemeinsamkeit von Fotografie und Verkündigung. Eine andere: „Man muss im Leben verwurzelt sein, damit es nicht bei der Theorie bleibt.“
„Über Fotografie Menschen zu Gott führen“
Später kommt er auf das Zusammenspiel von Theorie und Praxis zurück, als er über die Mathematik und die Psychologie spricht, die hinter der Komposition eines Bildes stecken – und wie andererseits der eigene Blick dabei eine große Rolle spielt: „Ich hab’s gesehen, und ich hab’s fotografiert.“ Diesen Blick, das Talent, das Gespür für die richtige Kamera und die Entscheidung für Farbe oder Schwarz-weiß, die brauche es, denn: „Man ist selbst gelangweilt, wenn man beim Fotografieren nur nach den Regeln spielt.“ Dieses Gefühl, das ihn antreibt, beschreibt er: „Man möchte das spüren – wie heißt das, wenn Ameisen über den Rücken laufen?“ – „Gänsehaut“, rufen mehrere im Publikum.
Gleichzeitig ist dem Ordensmann anzumerken, dass seine Fotografie, für die er schon Preise erhalten hat, auch geistliches Geschehen ist. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Heilige Geist leitet – das Auge, den Verstand, den Finger.“ Verkündigung bedeute demnach für ihn auch: „Ich fotografiere glaubend und hoffend, dass ich das Foto für irgendjemanden mache und dass das Motiv denjenigen näher zu Gott führt.“
Später spricht er über die Entwicklung der Aufnahmen: „Man kann das Bild nicht zweimal identisch abziehen, denn die Chemie verbraucht sich.“ Es erstaunt nur noch wenig, als der Priester, der an diesem Ort „gezwungenermaßen zum Handwerker“ werde, das langsame und einzigartige Geschehen in einer Dunkelkammer mit Exerzitien vergleicht und Parallelen zum geistlichen Leben zieht: „Man braucht die Einsamkeit, die Konfrontation und die Ruhe – dann wird es manchmal etwas Besonderes.“
Nach dem Gespräch geht der Künstler, der durch sein Studium der Informatik und Musikwissenschaft nach Deutschland gekommen war und nach dessen erfolgreichen Abschluss bei den Dominikanern eintrat, mit dem Publikum von Bild zu Bild.
Dominikaner akzeptieren Pater Adams doppelte Berufung
Schon beim ersten Bild wird deutlich, welche Bedeutung beide Berufungen für ihn haben: Es zeigt zwei seiner Mitbrüder, gegen das Licht vor einem Fenster fotografiert. „Es ist das erste Bild, das ich im Orden gemacht habe“, strahlt der leidenschaftliche Fotograf bei der Erinnerung.
Er sei als frischgebackener Postulant aus seiner Zelle getreten, habe die beiden dort stehen sehen und sei kurzerhand zurückgeeilt, um seine Kamera zu holen. Das „Klick“ habe die beiden aufmerksam gemacht, und man kann sich in den jungen Mann hineinversetzen, wie nervös er daraufhin dem einen der skeptisch blickenden Patres seine Kamera überreicht habe. Dieser betrachtete sie, dann sagte er: „Naja!“, und gab sie Pater Adam wieder zurück. Da wusste er: „In diesem Orden kann ich fotografieren.“