Wenn Obdachlose krank werden

Ein obdachloser Mann am Bahnhof Alexanderplatz. Foto: epd/Rolf Zoellner

Die Berliner Caritas bietet Obdachlosen kostenlose medizinische Behandlung und Nachsorge an. Männer wie Alfons sind dankbar für diese Hilfsangebote. Im Corona-Winter könnten sie allerdings an ihre Grenzen stoßen.

„So ein Pech, ich bin gestürzt, mitten in der Nacht“, erinnert sich Alfons. „Mein Bein war verdreht, ich hatte höllische Schmerzen. Dachte, jetzt isses vorbei. Dazu Nieselregen, eiskalt, kein Mensch weit und breit.“ Als die Schmerzen auch am Morgen nicht besser werden, ruft er verzweifelt um Hilfe. Ein Obdachloser, der seinen Schlafplatz ganz in der Nähe hat, hört ihn und schleppt ihn zur Caritas-Ambulanz am Bahnhof Zoo. „Was für ein Glück im Unglück“, sagt Alfons. Auch Alfons lebt auf der Straße.
In der Caritas-Ambulanz in der Berliner City West werden Frauen und Männer ohne Krankenversicherung kostenlos behandelt. Wer medizinische Hilfe braucht ist willkommen – ganz gleich, woher er kommt und welches Schicksal ihn in Not gebracht hat. Obdachlosigkeit kann jeden treffen.
Viele haben offene Wunden an den Füßen

Die Ambulanz ist auch während der Corona-Krise geöffnet, mit zusätzlichen Hygiene-Maßnahmen natürlich. Denn verlässliche medizinische Hilfe ist für Obdachlose lebenswichtig, für manche sogar überlebenswichtig. Viele haben offene Wunden an den Füßen, weil sie wochenlang ihr einziges Paar Socken und Schuhe tragen. Oder sind so krank, dass sie ins Krankenhaus müssen.

So war es auch bei Alfons. Nach der ambulanten Untersuchung stand fest: Unterschenkelknochen gebrochen. Nach telefonischen Anfragen bei mehreren Krankenhäusern erklärte ein Krankenhaus sich schließlich bereit, ihn kostenlos zu behandeln. Das Bein wurde eingegipst; danach wurde er entlassen. Also mit Krücken zurück in seinen Alltag – zurück auf die Straße? Und was, wenn sich die Wunden entzünden? Wieder hatte Alfons Glück im Unglück: Er bekam einen Platz in der Krankenwohnung der Caritas. Obdachlose, die zu krank, zu schwach sind für das Leben auf der Straße, werden hier gepflegt. Und auch dabei unterstützt, nach der Genesung nach Möglichkeit eine Unterkunft jenseits der Straße zu finden. Inzwischen droht der Mangel an Pflegefachkräften auch die Schwächsten in der Gesellschaft zu treffen. Die Caritas hat zunehmend Schwierigkeiten, die Versorgung von Menschen, die auf der Straße leben, aufrecht zu erhalten. Es fehlt Fachpersonal für die Caritas-Ambulanz, die Caritas-Krankenwohnung sowie das Caritas-Arztmobil.

Seit 1992 hilft der Caritasverband für das Erzbistum Berlin Obdachlosen wie Alfons. Die Ambulanz am Bahnhof Zoo ist das älteste medizinische Versorgungsprojekt für Wohnungslose in der Hauptstadt. Hier werden Hilfsbedürftige und Menschen ohne Krankenversicherung behandelt, Menschen, die nicht in der Lage sind, zu einem Arzt zu gehen und medizinische Regelangebote in Anspruch zu nehmen.
Etwa 5000 Behandlungen im Jahr werden in der Ambulanz durchgeführt. Normalerweise, denn weil auch in der Corona-Zeit die offenen Sprechstunden angeboten werden, „liegen wir jetzt schon bei 7000 Behandlungen“, sagt der Leiter der Caritas-Ambulanz, Martin Weber. „Wir gehen gerade auf dem Zahnfleisch, weil sich Ausfälle durch Krankheit häufen.“
Ähnlich prekär ist die Lage in der Caritas-Krankenwohnung in der Moabiter Turmstraße. Die Wohnung ist ein Angebot für Menschen, die vorwiegend auf der Straße leben. Viele von ihnen sind nicht krankenversichert oder haben einen ungeklärten Versicherungsstatus. Sie sind oft in gesundheitlich schlechtem Zustand: Hauterkrankungen, Wundinfektionen, Knochenbrüche, Bauchkrämpfe, Blutvergiftungen.
Aufmunternde Worte und Gesten sind wichtig

„Was für jeden von uns gefährlich ist, wird auf der Straße schnell lebensbedrohlich. Darum bieten wir nach einer Erstversorgung im Krankenhaus oder einem medizinischen Hilfsprojekt für Wohnungslose einen Platz zum Gesundwerden. In der Krankenwohnung können sie sich auskurieren und wieder auf die Beine kommen“, erklärt die Leiterin der Caritas-Krankenwohnung, Marlene Köster.
„Doch wenn wir nicht schnell neue Pflegefachkräfte finden, können wir die Versorgung in diesen schwierigen Corona-Zeiten nicht in vollem Umfang aufrechterhalten“, befürchtet sie. Was in der emotionsgefüllten Advents- und Weihnachtszeit besonders schlimm wäre, weil nicht nur der Verbandswechsel oder die Spritze wichtig sind sondern ebenso ein aufmunterndes Wort, eine freundliche Geste oder der Rat einer Sozialarbeiterin.

„Wer kein Zuhause hat, erlebt in der Weihnachtszeit statt Freude oft Hunger, Kälte und Leid. In diesem Jahr mehr denn je. Umso wertvoller ist jeder Teller heiße Suppe, jedes warme Bett in einer Notunterkunft, jede Behandlung in der Ambulanz am Bahnhof Zoo. „Bitte spenden Sie dafür – so großherzig und großzügig, wie es Ihnen möglich ist“, bittet Caritasdirektorin Ulrike Kostka.
Alfons nickt. „Ich bin so dankbar für die Hilfe, die ich bekomme“, sagt er leise und mit Tränen in den Augen. Er hatte Glück im Unglück.

Kontakt: www.caritas-berlin.de