Zum 60. Jahrestag der Weihe der Berliner Gedenkkirche Maria Regina Martyrum wurde die Johannes-Passion mit Zitaten aus dem Prozess gegen den Jesuiten Alfred Delp und Helmut James Graf von Moltke verknüpft.
Kann man Pontius Pilatus und den nationalsozialistischen (NS) Scharfrichter Roland Freisler vergleichen? Ja, sagt der Theaterdramaturg Till Krabbe und entwickelte auf Anregung des Jesuiten Pater Klaus Mertes eine Art musikalisches Gesang- und Sprechtheaterstück. Darin verknüpfte er die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach mit Originalzitaten aus dem Prozess der NS-Opfer Jesuit Pater Alfred Delp und Helmut James Graf von Moltke. So entstand ein dichtes, andächtiges und lehrreiches Stück. Es wurde zum 60. Jahrestag der Weihe der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin gespielt.
Zeugen in gleich zwei Prozessen
Die Besucher wurden durch das Zusammenspiel zu hörenden Zeugen beider Prozesse: Einerseits wurde die biblische Konfrontation Jesu mit Pilatus, der in Bachs Passion einen besonders dramatischen Ausdruck erfährt, wieder lebendig. Zum anderen wurden sie in den Prozess des Volksgerichtshofs hineingezogen. Dort reagierte Roland Freisler mit seinen hysterischen Wutausbrüchen auf die wortkargen Glaubens- und Gewissenzeugen Delp und von Moltke.
Die Parallelen beider Prozesse wurden deutlich, als auf den Bach-Choral „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn, muss uns die Freiheit kommen, dein Kerker ist der Gnadenthron, die Freistatt aller Frommen“ das Zeugnis Pater Delps aus dem Gefängnis wenige Tage vor seiner Hinrichtung folgte: „Ich will mich Jesus zugesellen als ein Treugeselle und Liebender.“ Oder wenn sein Zellennachbar Helmut James Graf von Moltke schreibt: „Wir wissen nur, dass Gott uns in Seligkeit einführen will und dass wir die Wege, die er zu diesem Ziel für nötig hält, freudig gehen müssen!“ und der Chor singt: „Dein Will gescheh, Herr Gott, zugleich auf Erden wie im Himmelreich, gib uns Geduld in Leidenszeit, gehorsam sein in Lieb und Leid...“
Die Bach’sche Johannes-Passion, die bei manchen im Verdacht steht, „zu schön“ zu klingen und das grausame Geschehen der Hinrichtung Jesu mit einem schaurig- wohligen Gänsehaut-Gefühl allzu sehr zu harmonisieren, wurde so wieder neu relevant und ins Heute übertragen. Zudem war es eine würdige Erinnerung an die Opfer der Hinrichtungsstätte Plötzensee. Die Zuhörer der bis auf den letzten Platz gefüllten Gedenkkirche würdigten die Aufführung mit langem Applaus.