Die „Kieztouren mit Herz“ zeigen in Berlin den Herzschlag des Lebens und der Stadt. Egal ob Glück, Mode oder Essen – die Touren greifen aktuelle Themen auf und führen die Teilnehmer zu Projekten und Einrichtungen.
Berlin ist unersättlich. Und wenn es hier um’s Essen geht, handelt es sich fast schon um eine Lebensphilosophie. Essen ist der neue Pop. So geben sich entsprechende Events die Klinke in die Hand, wie zum Beispiel Mitte Oktober die Berlin Food Week. Diese und der Welternährungstag am 16. Oktober waren der Anlass, die dritte Kieztour in diesem Jahr unter das Thema „Du bist, was du isst!“ zu stellen und der Frage, wie wir „anders“ essen und so respektvoll mit Mensch, Tier und Umwelt umgehen können, nachzugehen.
Brühe nach Hausfrauen-Art
Die Stationen waren: Der Verein „Restlos glücklich“, der mit überschüssigen Lebensmitteln kocht und für sein Engagement schon so manchen Preis eingeheimst hat, die Nonprofit-Initiative „Palotti- Mobil“, die bedürftigen und ausgegrenzten Menschen einen Arbeitsalltag ermöglicht und für soziales Catering steht. Fertigprodukte und Dosenfutter? Fehlanzeige. Um eine gute Brühe zu bekommen, wird hier nach altbewährter Hausfrauen-Art der Knochen noch richtig ausgekocht. Beim „Refugio Sharehaus“ schließlich geht es um Völkerverständigung durch gemeinsames Kochen, Essen und Arbeiten, denn hier wohnen über 40 Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und neue Lebensperspektiven suchen. Wie Samer Serawan, der aus Syrien kommt und im Refugio als Koch arbeitet. Er serviert den Gästen ein üppiges syrisches Menü, garniert mit intensiven Einblicken in seine ganz persönliche Geschichte.
„Kieztouren mit Herz“ sind zwei- bis dreistündige Stadtspaziergänge, die auf existentielle Themen hinweisen, die den „Herzschlag“ des Lebens ausmachen. So ging es bei der Kieztour im März anlässlich des Weltglückstages um die Frage, ob Glück erlernbar oder zu reparieren sei, wenn es mal kaputt gegangen sei. Im Juni beschäftigen sich die Teilnehmer anlässlich des Weltumwelttages mit fairer Mode und Upcycling. Der besondere Charme: Die Kieztouren führen zum „Herzschlag der Stadt“, in die Kieze, die gerade für Berlin so typisch sind. Deshalb werden die Wege bewusst zu Fuß zurückgelegt, um den jeweiligen „Stallgeruch“ schnuppern zu können.
Inspiriert wurden die „Kieztouren mit Herz“ von Papst Franziskus, der 2015/2016 ein Jahr der Barmherzigkeit ausrief. Um diesem Begriff – im säkularen Sprachgebrauch längst als old-fashioned (altmodisch) gebrandmarkt – die Staubschicht aus dem Fell zu pusten, wurden 2016 zunächst sechs Kieztouren entwickelt, die sich an den Werken der Barmherzigkeit orientierten. Der Reiz an der Sache: raus aus der kirchlichen Komfortzone, rein in die Brennpunkte des städtischen Lebens, an Türen außerhalb der alltäglichen Erfahrungsräume zu klopfen und Einlass in sonst eher fremde Lebens-Wirklichkeiten zu bekommen. So wollen die Veranstalter dem Zitat „Jesus klopft an die Tür der Kirche. Er möchte raus.“ von Papst Franziskus entsprechen.
Ohne Kooperation keine Kieztouren
Der bekannte Regisseur und Schauspieler Woody Allen sagte einmal: „Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.“ „Gut, dass wir da mehr Glück hatten, denn Kooperationen sind ein ganz entscheidendes Element der Kieztouren, und das gleich im doppelten Sinne“, finden die Veranstalter. Zum einen handele es sich bei diesem Projekt nämlich um eine gemeinsam entwickelte und durchgeführte Veranstaltungsreihe des Erzbistums Berlin, des Katholischen Deutschen Frauenbundes (Diözesanverband Berlin) sowie des Diözesancaritasverbandes. Zum anderen lebe jede Kieztour von den kirchlichen und säkularen Kooperationspartnern, deren Initiativen und Kampagnen besucht werden. So sind die Touren eine Mischung aus Stadtführung, Exkursion und Bildungsarbeit mit allen Sinnen. Und all diese Sinne werden jetzt von den Verantwortlichen wieder ausfahren, um einem Trüffelschweinchen gleich neue Themen für die Kieztouren im kommenden Jahr auszubuddeln.