Raus aus den Strukturen Zwölf neue Glaubensprojekte beim Project Pitch des BDKJ und EAJ

„Zuckertüten“ – als Esther Göbel auf ihr grünes Kärtchen sah, dass sie so eben aus dem Projektgenerator gezogen hatte, dachte sie zunächst an die Einschulung. Als auf dem roten Kärtchen „Gebetbuch“ stand, wusste die Dekanatsjugendseelsorgerin aus Steglitz-Zehlendorf nicht mehr weiter. Die 17-jährige Helena aus Wilmersdorf konnte ihr auf die Sprünge helfen. Gemeinsam stellten sie im Laufe eines Tages ein grenzenüberschreitendes Glaubens-Projekt auf die Beine. Zur Belohnung bekamen sie von Diözesanjugendseelsorger Pfarrer Ulrich Kotzur einen Förderscheck in Höhe von 1.000 Euro überreicht. Mit dem Geld möchten sie in den kommenden Monaten einen spirituellen Café-Führer durchs Erzbistum verwirklichen.

Von Zuckertütchen und Café-Gebeten

Ihre Oma habe Zuckertüten aus Cafés gesammelt und in ein Album geklebt, erzählt Helena. Deshalb habe sie diesen Begriff auf eine der grünen Jugendkulturkarten geschrieben. „Es ist unglaublich, wie viele unterschiedliche Tütchen in Cafés ausliegen.“ Dass auf der roten Kirchentraditionskarte „Gebetbuch“ stand, brachte Helena und Esther Göbel auf die Idee, durch angesagte Cafés im ganzen Erzbistum zu ziehen, von Binz bis nach Luckenwalde und von Schwedt bis nach Brandenburg. „Wir wollen ihre Zuckertütchen nett arrangiert fotografieren und zu jedem der Fotos ein zum Café passendes Gebet abdrucken“, erklärt Helena das Konzept. Um das umzusetzen, müssen die beiden mit Café-Besitzern und Kellnern über Gott und die Welt ins Gespräch kommen, damit der Glaube Raum gewinnt.Mehr als 40 Jugendliche aus dem Erzbistum verwandelten am Samstag die Aula der Katholischen Hochschule für Sozialwesen zur Kreativwerkstatt im Rahmen des „Project Pitch“, zu dem der BDKJ und das Erzbischöfliche Amt für Jugendseelsorge (EAJ) einluden. Sie entwickelten zwölf Projekte zum Thema des Pastoralen Prozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“.

Den Stein ins Rollen brachte vor einem halben Jahr Helmut Jansen, der Geistliche Leiter des BDKJ im Erzbistum. Er wettete gegen die Jugendseelsorgekonferenz, dass diese es nicht schafft, 20 hauptamtliche Jugendarbeiter für 20 Glaubensprojekte der Jugend zu gewinnen. Doch diese schaffte es und Jansen stand in der Pflicht, für 20 Projekte 1.000 Euro zu akquirieren. Dank der Unterstützung zahlreicher Spender im Erzbistum sowie des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken hat er das Geld fast beisammen.

„Wir möchten die Jugend in den Gemeinden anregen, Projekte anzugehen, um am Pastoralen Prozess zu partizipieren“, beschreibt Jansen das Ziel der Aktion. Immerhin gehe es dabei um die Kirche von Morgen, in der die Jugend von heute maßgeblich ihren Glauben leben wird. Und da die Jugend in den entscheidenden Gremien nur selten in großer Zahl vertreten ist, möchte sie mittels Projekten, sprich mittels Taten zeigen, was sie unter „Wo Glauben Raum gewinnt“ versteht. „Die Projekte sollen etwas mit dem Glauben zu tun haben, etwas Neues sein und die Jugend mit anderen in Kontakt bringen.“ Jansen spricht von Grenzen überschreiten, zeigen, dass die Jugend nicht nur ihre eigenen Sachen macht, sondern auch raus geht und für die Menschen da ist. Das Motto des BDKJ und EAJ für die Aktion lautet daher: „Wo Glauben durch Dein Projekt Raum gewinnt“.

Vielfältige Projekte werden vorgestellt

„Wir bilden eine Renovierkaravane!“ Ruben, Silja, Sara und Doro aus Potsdam, Weißensee und Wilmersdorf fanden zusammen, um ihren Jugendräumen einen neuen Anstrich zu verpassen. Geht es nach den vier 16- bis 18-Jährigen sollen in den kommenden Monaten Jugendliche aus Wilmersdorf in Potsdam vorbeikommen, um beim Renovieren zu helfen. Im Anschluss sollen sich dann die Potsdamer mit Pinsel und Farbeimer auf die Fahrt machen. „Beim Arbeiten haben wir zusammen Spaß. Und wir lernen uns kennen“, meint Ruben. Anna und Sara widmen sich der Flaute in der Jugendarbeit in Ostbrandenburg. „Wir bieten scheinbar das Falsche an oder haben den Bodenkontakt verloren“, meint Sara. Nun möchten sie die traditionelle Skifreizeit der katholischen Jugend nach Oberwiesental nutzen, um die Jugend aus dem Dekanat Fürstenwalde neu für Kirche und katholische Jugendarbeit zu begeistern. Sie wollen wissen, welche Vorstellung die Jugend von Kirche und Glaube hat, was sie von Kirche und Jugendarbeit erwartet.

Vielfältig sind die Projektentwürfe, die am späten Nachmittag in großer Runde vorgestellt werden. Die Jugend plant, sich gemeindeübergreifend untereinander näher kennenlernen und besser zu vernetzen. Dazu wollen sie eine große Party organisieren, eine App programmieren, einen Imagefilm produzieren, die Dekanatsjugenden wieder näher zusammenführen. Sie möchten mit ihrem Glauben raus auf die Straße und planen ein Apfelfest zu Erntedank in der Prignitz, einen SMS-Adventskalender, der die Menschen zu Veranstaltungen in die Kirche einlädt, ein Krippenspiel auf öffentlichen Plätzen. Sie möchten sich mit Jugendlichen anderer Religionen besser verständigen und planen interreligiöse Gespräche für junge Menschen in Berlin. Sie möchten anderen im Zeichen der Nächstenliebe helfen und planen die Ausbildung von Nothelfern für Gemeindefeste und kirchliche Veranstaltungen. Wie es den Jugendlichen auf ihrem Weg in neue Räume ergeht, davon wollen sie am Bistumsjugendtag Ende Juni berichten.

Blick über den Tellerrand auch für Hauptamtliche

Esther Göbel trägt an diesem Tag ein grünes T-Shirt wie 19 weitere Kolleginnen und Kollegen von ihr. Die 35-Jährige hat sich von der Jugendseelsorgekonferenz begeistern lassen, eines der Projekte zu begleiten. Nun engagiert sich die Dekanatsjugendseelsorgerin von Steglitz-Zehlendorf in St. Ludwig Wilmersdorf-Charlottenburg. „Nicht nur die Jugendlichen sollen ihren Blick über ihre Jugendgruppe, ihre Pfarrei, ihren Jugendverband hinaus weiten. Auch wir Hauptamtliche dürfen ruhig mehr über den Tellerrand blicken“, meint Göbel. Besonders freut sie sich daher auf die Gespräche mit den Cafébetreibern, die einen Sprung über Kirchen-, Konfessions- und Religionsmauern versprechen. Jansen denkt in dieser Frage noch weiter. Er kann sich in den künftigen Pastoralen Räumen neue Beschäftigungsmodelle innerhalb der Jugendarbeit vorstellen. „Die Arbeitszeit könnte aufgeteilt werden, so dass ein Jugendseelsorger zu 50 Prozent an seinem Einsatzort arbeitet, die anderen 50 Prozent jedoch Zeit hat, an Projekten andernorts teilzunehmen“, schlägt Jansen vor.

Am Ende des Tages freut sich der Wettpate und Geistliche Leiter des BDKJ über die Ergebnisse der letzten Stunden und ist optimistisch, dass das von ihm gesammelte Geld dank der kreativen Projekte Früchte tragen wird. Jansen wertet den Tag als Ausrufezeichen für den gesamten Pastoralen Prozess. „Das hier ist erst der Startschuss“, ist er überzeugt und ergänzt: „Für alle, die nicht hier waren: ihr könnt jederzeit aufspringen! Macht mit bei den geplanten Projekten und plant weitere!“

Text und Bilder: Alfred Herrmann