„Wozu sind wir Kirche?"Zentrale Eröffnung des Pastoralen Raumes Tiergarten-Moabit-Wedding mit Erzbischof Koch

Erzbischof Koch überreicht Pater Dillmann das Dekret zur Bildung des Pastoralen Raumes Tiergarten-Moabit-Wedding. Foto: Herrmann

Gemeinsam mit dem Erzbischof um den Altar versammelt, die Pfarrer und der Diakon der Gemeinden sowie Vertreter des Erzbistums. Foto: Herrmann

Bringt das Licht Christi in die Welt: Erzbischof Koch übergab den Vertretern der Pfarreien und der muttersprachlichen Gemeinden eine Kerze. Foto: Herrmann

Sie bringen das Licht in die Welt: Nach dem Schlusssegen zogen die Gemeindevertreter gemeinsam mit Erzbischof Koch aus. Foto: Herrmann

„Hiermit bestätige ich Ihnen, dass Sie ab heute, dem 2. Oktober 2015 gemeinsam einen Pastoralen Raum Tiergarten-Moabit-Wedding bilden und die dreijährige Entwicklungsphase des Prozesses ,Wo Glauben Raum gewinnt‘ beginnt.“ Am Ende des Pontifikalamts verlas Erzbischof Heiner Koch das Dekret, mit dem er den zweiten Pastoralen Raum im Erzbistum Berlin errichtet. Unter großem Applaus überreichte er die Urkunde Pater Michael Dillmann, den er damit zum Leiter des Prozesses im neuen Pastoralen Raum ernannte.

Mit einer feierlichen Messe unter der Leitung von Erzbischof Koch starteten am Freitagabend in der St.-Paulus-Kirche in Wedding die fünf Pfarreien St. Laurentius, St. Paulus, St. Joseph-St. Aloysius, St. Petrus und St. Sebastian in die Entwicklungsphase. Sie bilden nun einen gemeinsamen Pastoralen Raum, aus dem in den kommenden drei Jahren eine Pfarrei neuen Typs im Herzen Berlins erwachsen soll. Der Pastoraler Raum Tiergarten-Moabit-Wedding umfasst rund 27.000 Katholiken, sieben Kirchen, vier muttersprachliche Gemeinden, drei Kitas, eine Grundschule, drei Orden, drei soziale Einrichtungen von drei katholischen Trägern. Als Zeichen der neuen Einheit überreichte Erzbischof Koch den Pfarrgemeinderatsvorsitzenden der fünf weiterhin selbständigen Pfarreien sowie den Vertretern der kroatischen, ungarischen, vietnamesischen und maronitischen Gemeinde eine Kerze. Zum Moderator für die Entwicklungsphase berief Erzbischof Koch Peter Schaumann.

Die Eröffnung des Pastoralen Raums Tiergarten-Moabit-Wedding bildet eine Zäsur in der Geschichte des Erzbistums Berlin. Das Gesicht der Erzdiözese wird sich ab nun Schritt für Schritt sichtbar verändern. Die nächsten Pastoralen Räume werden Anfang kommenden Jahres gegründet. Tiergarten-Moabit-Wedding bildet den ersten Pastoralen Raum, der sich aus einer Findungsphase heraus entwickelt hat. Im Rahmen eines Dialogs fanden dabei diejenigen Pfarreien zusammen, die ab jetzt gemeinsam in die Zukunft gehen möchten. „Was vor mehr als zwei Jahren begonnen hat, mit Sitzungen und Beratungen, im Ringen, im Streit, mit Planungen, mit Elan, mit Mut, das wollen wir heute fortschreiben und eintreten in die Entwicklungsphase zum Prozess ,Wo Glauben Raum gewinnt‘, auf dass am Ende dieser Raum auch erfüllt ist“, sagte Pater Dillmann zu Beginn der Messe.

„Seid Botschafter Gottes“

In seiner Predigt nahm Erzbischof Koch Bezug auf das Schutzengelfest, das am 2. Oktober in der Kirche gefeiert wird. Er forderte die versammelten Katholiken auf, Engel zu sein, Boten Gottes, für die Menschen in Tiergarten, Moabit und Wedding. In einer Welt, die wenig von Gott wisse, sollen sie Einstehen für die Botschaft Gottes und Zeugnis ablegen von Gottes liebender Präsenz: „Gott ist da!“ rief Erzbischof Koch den Gläubigen in der vollen Pauluskirche zu. „Gott ist erfahrbar, spürbar, dieser Gott, der Gott für uns ist, der uns nicht alleine lässt. Gott ist da, in Moabit, in Tiergarten, in Wedding!“

Erzbischof Koch sprach in seiner Predigt den Sendungsauftrag der Kirche an und die daraus resultierende Verantwortung jedes einzelnen, die aus Taufe und Firmung hervorgeht. „Wozu sind wir Kirche?“ fragte er provozierend. „Doch nicht, dass es schöne Schrebergärten gibt, dass es uns gut geht. Wir sind gesandt! Wir sind dafür da, dass das Wort Gottes in dieser Stadt nicht verstummt!“ Der neue Erzbischof von Berlin machte deutlich, dass es ihm mit diesem Pastoralen Prozess nicht in erster Linie um „Strukturen, Personal- und Finanzpläne“ geht, sondern um die Erfüllung der Sendungsaufgabe, „Christus in dieser Welt spürbar, hörbar und erlebbar zu machen“. Er weiß um die große Herausforderung, Menschen die Nähe Gottes zu zeigen, für die Gott nicht existiert. Es gebe dafür keinen Königsweg, sondern viele verschiedene Antwortversuche. Diese unterschiedlichen Wege und Möglichkeiten zusammenzubringen und zu vernetzen, darin sieht Erzbischof Koch den Auftrag für einen neuen Pastoralen Raum. „Miteinander werden wir den Menschen in diesem Teil Berlins, mit seiner Buntheit, seiner Vielfalt vielleicht ein wenig mehr gerecht. Wir brauchen die bunte, vielfältige Vitalität kirchlichen Lebens, um diese Sendungsaufgabe zu erfüllen.“

Pater Frano Čugura erlebte den Eröffnungsgottesdienst als ein Zeichen des Aufbruchs, sagte der Pfarrer von St. Sebastian im Anschluss an die Messe. Er schaue voll Zuversicht in die Zukunft. „Wenn viele gemeinsam einen Weg gehen, kann das eine große Strahlkraft entwickeln“, ist er überzeugt. Pater Frano leitet neben der Pfarrei die kroatische Mission, die ebenfalls im neuen Pastoralen Raum angesiedelt ist. Der Franziskanerpater betont, dass auch die kroatischen Katholiken sich in der Entwicklungsphase einbringen werden. „Auch sie wollen nicht nur zuschauen, sondern mitgestalten.“

Nicht ohne Sorgen und Ängste

„Wir müssen diesen Weg gehen“, gab Peter-Jörg Preuschoff zu bedenken. Verweigern nütze nichts. Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Paulus spricht von den Sorgen einiger Gemeindemitglieder, von ihren Ängsten wie dem Verlust von Heimat. „Aber es gibt äußere Umstände, die uns zu diesem Weg zwingen. Uns bleibt nur die Frage: Wollen wir mitgestalten und mitverändern mit all den Unwägbarkeiten, die uns erwarten, oder nicht?“ Preuschoff ist sich bewusst, dass sich die gesellschaftlichen, aber auch die kirchlichen Faktoren in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben. Er nennt zum Beispiel das Problem, dass sich selbst Menschen mittleren Alters mittlerweile kaum mehr in Vereinen und Kreisen der Pfarrei engagieren, dass diese Generation anders als die älteren Gemeindemitglieder mehr aktions- und ereignisbezogen denkt. Außerdem erinnert er, an den Priestermangel. „Diesen unterschiedlichen Wünschen und Entwicklungen müssen wir uns stellen.“

„Wir sind eigentlich die Gemeinde, die sich anfänglich mit diesem Prozess überhaupt nicht einverstanden erklären konnte“, gibt Christa Drutschmann unumwunden zu. „Wir waren nicht dagegen, die pastorale Struktur zu verändern, sondern wir wollten pastoral zusammenarbeiten aber gleichzeitig uns weiterhin selbst verwalten.“ Dennoch entschied sich ihre Pfarrei St. Laurentius am Pastoralen Prozess zu beteiligen und ein Votum für den Pastoral Raum abzugeben, so die Pfarrgemeinderatsvorsitzende. „Uns war klar, wir können nicht auf der Stelle stehen bleiben, während die anderen weitergehen. Aber wir wollen in diesem Prozess weiterhin unsere Vorstellungen von einer starken Gemeinde einbringen“, spricht sie sich gegen einen zu sehr zentralisierten Pastoralen Raum aus und ergänzt: „Wir wollen, gerade wenn es immer weniger Priester gibt, die Laienaktivitäten stärken.“

In den kommenden drei Jahren der Entwicklungsphase werden die fünf Pfarreien, die muttersprachlichen Gemeinden sowie die zahlreichen Orte kirchlichen Lebens näher zusammenfinden. Im ersten Jahr steht das gegenseitige, intensive Kennenlernen auf der Agenda. Danach soll ein Pastoralkonzept erstellt werden. Im dritten Jahr gilt es Personal und Finanzen zu planen. Ein langer und intensiver Weg liegt vor allen Beteiligten. Dem sind sich alle bewusst. So hieß es in einer Fürbitte des Eröffnungsgottesdienstes: „Für unsere Gemeinden und Orte kirchlichen Lebens in Wedding, in Moabit und in Tiergarten. Gib uns füreinander ein offenes Herz. Geleite durch die vor uns liegenden Jahre und zeige uns Wege, gemeinsam den Glauben zu bezeugen.“