Pfarrer Paul Sawatzke

St. Pius Berlin-Friedrichshain / Christus König Schönow

Das Archiv einer Institution, Gemeinde oder Stadt wird oft als deren Gedächtnis bezeichnet. Ein Gedächtnis will gepflegt und erhalten werden. Niemand möchte die Zeugnisse seines Werdens und seiner Geschichte und damit seiner Identität verlieren.

Im Archiv des Erzbistums Berlin findet sich ein vierseitiges in Sütterlinschrift erstelltes Dokument ohne Datum. Nach der Überschrift handelt sich um den handschriftlichen Bericht „über den Tod des Pfarrers Paul Sawatzke aus Schönow“. Dieses Schriftstück hält das Gedenken und die Identität eines Berliner Diözesanpriesters lebendig. Ohne das Dokument wäre das Zeugnis des Pfarrers im Dunkel der Geschichte verschwunden.

Das damalige Schönow, heute Jesionowo, war seit dem 15. März 1935 Wohn- und Dienstort des Geistlichen. Für Pfarrer Paul Sawatzke, am 31. Juli 1903 in Berlin geboren, handelte es sich nach einer Kaplanszeit in St. Pius in Berlin-Friedrichshain um die zweite Stelle. Die kleine Gemeinde befand sich im Aufbau, erst drei Jahre zuvor war die Kirche errichtet worden. Pommern war durch und durch protestantisch geprägt, die Katholiken bildeten eine kleine Minderheit. Der neue Pfarrer galt als tatkräftig und umsichtig. Doch bald holte das Weltgeschehen alle Bemühungen ein.

Im Winter 1944/1945 veränderte sich das Kriegsgeschehen dramatisch. Die deutschen Truppen befanden sich auf dem Rückzug. Russische Soldaten trieben die entkräfteten deutschen Truppenteile vor sich her und drangen in Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien ein. Der Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing, hatte seine Priester angewiesen, nach dem Beispiel des Guten Hirten aus dem Johannesevangelium bei ihren Gemeinden zu bleiben. „Wir wollen in wahrer Hirtenliebe mit den Unsrigen alle Prüfungen tragen und dadurch ihnen Trost und Mut und Kraft geben“ schrieb er am 28. Februar 1945 an die Geistlichen. So blieb Pfarrer Paul Swatzke in Schönow.

Vor allem die Frauen lebten in ständiger Angst vor den einrückenden russischen Soldaten. Die russischen Militärs hatten ihren Soldaten Wertsachen, Alkohol und die deutschen Frauen „überlassen“. Die Zivilbevölkerung mussten unzählige Morde, Plünderungen und Vergewaltigungen oft im Rausch ertragen. In der Nacht vom 24. zum 25. Februar 1945 erlitt Pfarrer Sawatzke sein Martyrium. Drei Frauen hatten sich in seinem Haus in Sicherheit gebracht. Abends versuchten Soldaten, sich an die Frauen heranzumachen. Pfarrer Sawatzke stellte sich schützend vor sie. Durch sein beherztes Eingreifen ließen die Russen von ihrem unsittlichen Vorhaben ab. Sie boten dem Pfarrer an, sie zur Kommandantur zu begleiten. Die Frauen warnten den Geistlichen, den Soldaten zu folgen. Doch der Pfarrer willigte ein und ging mit. Das Allerheiligste aus der Kirche trug er bei sich. Er musste damit rechnen, dass auch die Kirche geplündert und verwüstet wurde.

Am anderen Morgen fand man Pfarrer Sawatzke im Hinterhof der örtlichen Gärtnerei. Drei Schüsse in den Hinterkopf hatten ihn getötet. Das Allerheiligste von Blut getränkt umklammerten seine Hände. Eilig beerdigten ihn Gemeindemitglieder. Ein Sarg war nicht vorhanden. Der Pfarrer, in einen roten an das Märtyrerblut erinnernden Vespermantel gehüllt, wurde in den Fronleichnamsbaldachin gewickelt und in ein Grab gelegt. Bald darauf begann für die deutschen Einwohner das Schicksal von Flucht und Vertreibung. Bis heute ist in der Gemeinde das Zeugnis nicht vergessen.

Autor:
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll
Beauftragter der Dt. Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts