„Was wird für sie vom Synodalen Weg als Botschaft bleiben?“

(Erzbischof Heiner Koch)

Ein Jahr gemeinsam unterwegs auf dem Synodalen Weg. 

Stimmen aus dem Erzbistum Berlin - Theresa Theis

Ziemlich genau vor einem Jahr begann mit der ersten Synodalversammlung in Frankfurt am Main der Synodale Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Angesichts der aktuellen pandemischen Situation wird die vorgesehene zweite Synodalversammlung in Frankfurt am Main vom 4. bis 6. Februar 2021 nicht tagen können. Sie wurde auf den 30. September bis 2. Oktober 2021 verschoben. 

Am 4./5. Februar 2021 fand stattdessen ein Online-Format für alle Mitglieder der Synodalversammlung statt, in dessen Mittelpunkt die Diskussion und der Austausch über den momentanen Stand der Arbeitspapiere und -fortschritte der vier Synodalforen standen. Ein besonderer Schwerpunkt lag außerdem auf dem Bericht über die Maßnahmen zur Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche.  Es wurden jedoch keine Beschlüsse gefasst, denn dies bleibt der regulären Vollversammlung vorbehalten. 

Zum Hintergrund des Synodalen Weges

Der Synodale Weg begann offiziell am ersten Advent (1. Dezember) 2019 und war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt. Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie und die damit verbunden Einschränkungen haben zu einer Verlängerung der offiziellen Laufzeit geführt, sodass nun die vierte und letzte Synodalversammlung auf Herbst 2022 datiert ist. 

In diesem nun mehr 3 Jahren wird die Synodalversammlung mit ca. 230 Mitgliedern zu vier großen Plenarsitzungen zusammenkommen. Die Synodalversammlung setzt sich zusammen aus den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz, aus Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie aus Vertreterinnen und Vertretern weiterer Personen- und Berufsgruppen, die in ihrem Wirken am kirchlichen Sendungsauftrag teilhaben. 

Nach der Veröffentlichung der empirischen MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ ist deutlich geworden: Die Kirche in Deutschland steckt in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise und braucht einen Weg der Reform, des Wandels und der Erneuerung. Aus diesem Anlass haben die deutschen Bischöfe im März 2019 einen Synodalen Weg beschlossen, „der der gemeinsamen Suche nach Antworten auf die gegenwärtige Situation dient und nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses fragt. Der Synodale Weg wird von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragen.“ 

Inhaltliche Arbeit

Die thematische Arbeit orientiert sich stark an den erkenntnisleitenden Interessen der Forscherinnen und Forscher der MHG Studie: die Macht der Kleriker, der Zölibat und die Sexualmoral der Kirche. Folgende vier Synodalforen wurden mit jeweils rund 35 Mitgliedern gebildet:

  • Macht und Gewaltenteilung in der Kirche - Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag
  • Leben in gelingenden Beziehungen - Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
  • Priesterliche Existenz heute
  • Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche
Zielsetzung  

Die Satzung beschreibt das Ziel des Synodalen Weges in Artikel 1 folgendermaßen: Er „dient der gemeinsamen Suche nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses. Angestrebt ist die Klärung von zentralen Themen- und Handlungsfeldern: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Priesterliche Existenz heute“, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ […].“ 

Im zweiten Artikel verpflichtet sich die DBK, regelmäßig „über die Maßnahmen zur Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche, die damit verbundenen Maßnahmen zu dessen Prävention und Verhinderung in der Zukunft sowie die Schritte zur Einführung einer zeitgemäßen Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz [zu berichten; Anm. d. Verf.].“  So ist zwar der Bericht über Maßnahmen zur Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche im Synodalen Weg durchaus vorgesehen, sexueller (Macht-)Missbrauch an sich aber nicht als eines der zentralen Themen des Prozesses mitbedacht.

Rechtsform

Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass der Synodale Weg als eine einmalige Erfindung von ZDK und DBK beschrieben werden kann, ohne ein „(kirchenrechtlich) definiertes Format, sondern eigener Art (sui generis). Er kann auch im Prozess des Begehens des Weges gestaltet werden.“  Es findet sich demnach im Kirchenrecht kein korrespondierendes Format zum Synodalen Weg – er ist weder als (Diözesan-)Synode noch als partikularkirchliches Konzil angelegt und organisiert. Daraus können sich mitunter Schwierigkeiten und Herausforderungen ergeben, da der Synodale Weg ohne jedwede rechtliche oder lehramtliche Verbindlichkeit tagt. 

In Rom fand und findet der Synodale Weg (vielleicht auch aus eben genanntem Punkt) große Aufmerksamkeit: Papst Franziskus richtete sich im Juni 2019 mit seinem Brief  „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ an die katholische Kirche in Deutschland. Denn „es ist in der Weltkirche unüblich, dass es nicht nur eine Bischofskonferenz gibt, die sprach- und handlungsfähig ist, sondern auch eine Laienvertretung, die ein politisches Mandat wahrnimmt, aber auch innerkirchliche Angelegenheiten verhandelt.“  Neben der Ermutigung neue Wege der Evangelisierung zu suchen, warnt der Papst mehrfach davor, die Einheit mit der Universalkirche zu verlieren. Die Frage der Verbindlichkeit der Beschlüsse des Synodalen Weges bleibt im Brief offen. 

Um mögliche Enttäuschungen und Frustrationen zu vermeiden, bedarf es einer öffentlichen Klärung, welchen Verbindlichkeitsgrad die Beschlüsse haben können und wie dort, wo unstreitig die Universalkirche gefragt ist, die Kompetenzen einer Peripherie wie der in Deutschland mit dem Ganzen der Kirche vermittelt werden können. 

Herausforderungen

In dem einen Jahr Synodaler Weg ist eines vor allem offensichtlich geworden: Es liegt eine mitunter sehr große Bandbreite an Meinungen und Positionen (teilweise sogar gegensätzlich) zu den unterschiedlichen Themenbereichen und Diskussionspunkten unter den Delegierten vor. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch gibt zu bedenken: „die eigentliche Herausforderung wird es dann allerdings sein, beieinander zu bleiben.“ 

Johannes Schaan, Pfarrer der Pfarrei St. Bernhard, Stralsund-Rügen-Demmin, berichtet von seinen persönlichen Eindrücken: „Im Laufe der Zeit ist mir immer klarer geworden, dass die große Mehrheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht eine Erneuerung der Kirche anstreben, was zu begrüßen wäre, sondern vielmehr die Etablierung einer neuen Kirche ansteuern. Zu viele der Forderungen stehen in solch offensichtlichem und grundsätzlichem Gegensatz zu der bestehenden Lehre der Kirche, dass in den meisten Anliegen meines Erachtens nicht einmal mehr ein Kompromiss zu finden und damit auch kein wirklich zielführender Dialog möglich ist. Das Gespräch wird nach meiner Wahrnehmung zu oft auf emotionaler als auf sachlicher Ebene geführt.“

Erzbischof Heiner Koch sorgt sich in diesem Zusammenhang außerdem darum, „dass viele Gruppierungen und Gemeinschaften in der Versammlung nicht oder nicht genügend repräsentiert sind: Ich denke etwa an die internationalen Gemeinden, in Berlin stammen 25% der Katholiken nicht aus Deutschland, oder auch an manche geistliche Gemeinschaften mit ihrer wachsenden Bedeutung.“ Zudem gibt er offen zu bedenken: „Ich frage mich, wie der Synodale Weg von den unserer Kirche nicht angehörenden Menschen, insbesondere denen, die Gott und den Glauben ablehnen wirkt. Vielen von denen bewegen unsere Fragen nicht oder kaum. Was wird für sie vom Synodalen Weg als Botschaft bleiben?“ Denn in dem einen Jahr Synodaler Weg konnte und kann beobachtet werden, dass dem Synodale Weg selbst bislang eher wenig Aufmerksamkeit in den deutschen Bistümern und Gemeinden geschenkt wird. Viele Katholikinnen und Katholiken zeigen wenig Interesse an seinen Themen oder sehen eigene Erwartungen von vornherein enttäuscht. 

Ausblick

Franziska Kleiner (Referentin der Jugendkirche sam und digitale Verkündigung im Erzbistum Berlin) befürwortet, dass sich die katholische Kirche gemeinsam auf den Weg gemacht hat, denn für sie ist „der Synodale Weg ein wichtiger Ort des Austausches und der Möglichkeit Perspektiven kennenzulernen, pro und contra auszutauschen und die eigenen Meinungen und Ansichten vor diesem Hintergrund immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Dieser Prozess ist ein Gewinn und mit offenen Diskussionen, die ehrlich geführt werden und in denen die Mitglieder der Synodalversammlung oder der Foren miteinander ringen um gute Ergebnisse, um zukunftsfähige und tragfähige Strukturen in unserer Kirche, um neue Wege ohne Altes, Gewohntes und Liebgewonnenes in einer Schublade zu verschließen.“ 

Auch Wolfgang Klose, der das Erzbistum Berlin in der Synodalversammlung vertritt, ist der Überzeugung: „Der Synodale Weg ist die einzige und auch letzte Möglichkeit, gemeinsam und auf Augenhöhe wieder glaubwürdig Kirche zu sein und spürbare Veränderungen zu erreichen. Auch wenn es mir aufgrund der Entwicklungen in unserer Kirche in Deutschland seit der ersten Synodalversammlung Anfang 2020 zunehmend schwerer fällt, daran zu glauben. Es ist vielleicht ein Wagnis, aber ich vertraue auf die Kraft von Gottes Wort. Wir wissen nicht, was das Ergebnis sein wird, und das ist gut so.“

Die große Frage dabei ist allerdings, ob vor dem Hintergrund einer öffentlichen Debatte in dieser Größenordnung, der Druck auf notwendige Reformen und Veränderungen zunimmt. Das ist bisweilen schwer zu beurteilen: Auffällig ist jedenfalls, „dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, behutsam aber hartnäckig auf mehr Tempo drückt. Es werde immer schwieriger, das Verbot der Diakonen- und Priesterweihe für Frauen zu begründen, sagte der Bischof von Limburg zum Jahreswechsel der "Herder Korrespondenz".“  

Ein Gesprächs- und Austauschformat wie den Synodalen Weg, das echte Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht, hat es in dieser Form in der katholischen Kirche in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Um auf die Frage des Berliner Erzbischofs, was für diejenigen, die mit katholischer Kirche und Glauben nichts zu tun haben vom Synodalen Weg als Botschaft bleiben wird, zu antworten: Es bleibt die Hoffnung in einen geistlichen Weg, der das Potential hat, kleine oder große Veränderungen zu bewirken. Und auch wenn es viele kleine Schritte sind – es ist von Bedeutung, dass wir gemeinsam als katholische Kirche in Deutschland überhaupt Schritte der Veränderung gehen. Dazu folgendes Statement von Wolfgang Klose als Schlusswort: „Wir alle sollten die Chancen und das Wagnis des Synodalen Weges zulassen. Es kommt jetzt auf uns alle an - Christinnen und Christen sind aufgefordert in diesem Sinne synodale Kirche zu werden. In unseren Gemeinden, in den Pastoralen Räumen, im Erzbistum, in Deutschland, in der Weltkirche. Der Synodale Weg kann dazu als erste Wegmarke dienen.“