Welttag der Armen

Sie kennen das bestimmt auch: Es kommt jemand in die S-Bahn, der den Straßenfeger verkaufen will oder um eine Spende bittet. Die Reaktion der anderen Fahrgäste ist mehrheitlich ähnlich: Wer Buch, Zeitung oder Smartphone zur Hand hat, konzentriert sich noch mehr darauf, alle anderen fixieren einen Punkt auf dem Boden vor ihren Füßen. Ich nehme mich da keineswegs aus. Denn wenn ich einmal Blickkontakt mit dem Bittenden hatte, fällt es mir umso schwerer, ihm nichts zu geben.

Nun weiß ich nicht, ob Papst Franziskus auch S-Bahn fährt, aber die Situation scheint ihm nicht unbekannt zu sein. Seine Botschaft zum morgigen „Welttag der Armen“ lautet: „Wende dein Angesicht von keinem Armen ab!“

Die Aufforderung aus dem biblischen Buch Tobit gilt nicht nur für den Öffentlichen Personennahverkehr. Der Papst schreibt: „Was unangenehm ist und Leid verursacht, wird ausgeklammert, (…). Die Armen werden zu Bildern, die einen für einige Augenblicke berühren, aber wenn man ihnen in Fleisch und Blut auf der Straße begegnet, stört man sich an ihnen und grenzt sie aus.“

Daher konkretisiert er seine Aufforderung: „Die Armen sind Menschen, sie haben Gesichter, Geschichten, Herzen und Seelen. Sie sind Brüder und Schwestern mit ihren Vorzügen und Fehlern, wie alle anderen auch, und es ist wichtig, mit einem jeden von ihnen in eine persönliche Beziehung einzutreten.“
Mit einem jeden von ihnen? Vielleicht kann man ja langsam damit anfangen: Ein erster Schritt kann sein, Armut anzuerkennen, sich nicht mit einem „selbst schuld“ oder „die sollen erstmal was arbeiten“ abzuwenden. Ich bin unserer Caritas sehr dankbar, die die Ursachen und Strukturen aufdeckt, die zu Armut führen, und nach Verbündeten sucht, Wege aus der Armut zu finden.

Ich anerkenne und würdige auch alle, die konkret helfen: in der Berliner Kältehilfe, in Wärmestuben und Kleiderkammern und in Projekten wie „Essen ist fertig!“ in Neukölln, wo es neben einer warmen Mahlzeit auch ein gutes Wort und Begegnung gibt.

„Wende dein Angesicht von keinem Armen ab!“ ist ein hoher Anspruch. Aber davon sollten Sie sich nicht entmutigen lassen. Schauen Sie hin, nehmen Sie die Armut wahr, auch wenn sie sich versteckt, gehen Sie auf Menschen zu in Ihrer Nachbarschaft und fragen Sie, ob und wie Sie helfen können.

Und: natürlich haben auch arme Menschen mal schlechte Laune, aber ich denke schon, dass sie sich in der Regel auch über ein Lächeln freuen oder eben genau darüber, dass sie gesehen werden.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und einen gesegneten Sonntag.