Der 9. November ist kein einfacher Gedenktag. Im vergangenen Jahr stand der 85. Jahrestag der Zerstörung jüdischer Einrichtungen, Geschäfte und Synagogen und der Verhaftung, Misshandlung und Ermordung von Jüdinnen und Juden im ganzen Deutschen Reich im Vordergrund. In diesem Jahr erinnern wir besonders an den 35. Jahrestag des Mauerfalls.
Es ist nicht einfach, die Freude über den Fall der Berliner Mauer und das Gedenken an die Judenverfolgung in der „Pogromnacht“ 1938 an einem Tag zu verbinden. Aber es geht nicht anders: Beide Jahrestage sind wichtig für unsere Geschichte, für unser Zusammenleben und für unsere Zukunft, ganz besonders in Berlin!
Wenn wir am 24. November die Sankt Hedwigs-Kathedrale wieder eröffnen, so versuchen wir, beide Aspekte zusammenzubringen. Sankt Hedwig war und ist ein Zeichen für die Einheit, nicht nur von Ost und West, über die Grenzen der Mauer, der Völker und Ideologien hinweg. Und Sankt Hedwig ist ein Ort des Gedenkens und Erinnerns, beispielhaft am Grab von Dompropst Bernhard Lichtenberg, der unter dem Eindruck der Novemberpogrome für die verfolgten Juden gebetet hat.
Ich wünsche mir und hoffe sehr, dass die wiedereröffnete Sankt Hedwigs-Kathedrale ein Ort für alle Menschen und für alle Gedenk-, Feier- und Werktage ist. Ich lade Sie alle ein, unsere Bischofskirche aufzusuchen, wenn Sie sich freuen und voller Hoffnung sind, aber auch wenn Sie traurig, niedergeschlagen oder voller Angst sind. Mögen Sie dort Geborgenheit, Zuspruch, Angenommensein, Trost und Gemeinschaft erfahren. Sankt Hedwig soll ein Ort für alle Facetten unseres Lebens sein; ein Ort, an dem für viele das Wort der Heiligen Schrift erfahrbar werde: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Und das nicht nur am 9. November, sondern ab dem 24. November jeden Tag!