Justus Delbrück
Jamlitz ist eine amtsangehörige Gemeinde im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg. Sie hat kaum 600 Einwohner. Die sowjetische Militäradministration errichtete unmittelbar nach Beendigung des Krieges an diesen Ort das Speziallager Nr. 6. In diesem Lager hielt man unter unmenschlichen Bedingungen willkürlich Verhaftete fest, politisch Missliebige oder Personen, die der neuen Regierung in der sowjetischen Besatzungszone im Weg stehen könnten. In diesem Lager starb Justus Delbrück am 23. Oktober 1945. Eine letzte entscheidende Lebenswende sollte sich für ihn noch hier vollziehen.
Justus Delbrück, geboren am 25. November 1902 in Berlin-Charlottenburg, wuchs in einer gut situierten, wohlhabenden, protestantischen Berliner Gelehrtenfamilie auf. Seine Familie war bekannt mit Familie Bonhoeffer. Justus Delbrück studierte später zeitweise Rechtswissenschaften mit Dr. Klaus Bonhoeffer, dem Bruder des bekannten Pastors Dr. Dietrich Bonhoeffer in Heidelberg und Berlin. Erste Anstellungen erhielt der junge Jurist im Norden Deutschlands, in den Städten Schleswig, Stade und Lüneburg.
Aus Gewissensgründen aufgrund seiner evangelischen Überzeugungen verließ der inzwischen verheiratete Mann im Jahre 1935 den NS-Staatsdienst. Der NSDAP war er nie beigetreten. Den Unterhalt für seine Familie verdiente er in der freien Wirtschaft.
Die Kontakte seiner Familie seit Kindestagen an und seine Verbindung zur „Bekennenden Kirche“ machte ihn mit namhaften Persönlichkeiten des Widerstandes gegen das NS-Regime bekannt. Als die Gestapo gegen diese Kreise nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 mit aller Härte ermittelte und zugriff, wurde Justus Delbrück am 17. August 1944 verhaftet. Aus der Haftzeit im Gefängnis Berlin-Moabit sind Briefe erhalten, die die unerschütterliche Kraft seines Glaubens bezeugen. In der Auseinandersetzung mit seinem Schicksal reifte auch der Entschluss, zur katholischen Kirche zu konvertieren.
Justus Delbrück als gelernter Jurist verteidigte sich selbst – offenbar so geschickt, dass es für ihn zu keiner Anklage vor dem Volksgerichtshof im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat kam. Am 25. April 1945 konnte er das Gefängnis verlassen. Erleichtert und euphorisch schrieb er seiner Ehefrau: „Nun, meine Ellen, meine Liebste, ich bin durch, ich bin wieder da!“
Doch die Freude war von kurzer Dauer. Wenige Wochen nach der sowjetischen Besetzung Berlins wurde Justus Delbrück in das Lager Jamlitz gebracht unter dem Vorwand, ihn zu den Widerstandsbewegungen gegen das NS-Regime befragen zu wollen. Hier aber überließ man ihn den unmenschlichen Haftbedingungen, den er nicht lange standhalten konnte. Seinen Tod nahm man in Kauf. Justus Delbrück starb unterernährt und entkräftet am 23. Oktober 1945. Sein Geist blieb ungebrochen. Erhaltene Briefe geben Zeugnis von seiner Entscheidung, zur katholischen Kirche zu konvertieren. Die Kirche in ihrer historischen Kontinuität war ihm neue Heimat geworden.
Im ehemaligen Bahnhof von Jamlitz entstand eine Anlaufstelle für hilfesuchende Jugendliche. Das „Justus-Delbrück-Haus“ hält die Erinnerung an den Widerständler und Glaubenszeugen lebendig.
Autor:
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll
Beauftragter der Dt. Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts