Dr. Alfred Etscheit
Als Alfred Etscheit im Jahre 1905 seine juristischen Studien abschloss und sich in Berlin als Rechtsanwalt niederließ, war dem Anfang seiner juristischen Tätigkeit kein rechter Erfolg beschieden. Um seinen Lebensunterhalt sichern zu können, nahm er im Jahre 1913 eine neue Stellung an. Als Syndikus des Landwirtschaftlichen Verbandes für Nord- und Mittelkamerun zog er in das afrikanische Land. Als das ehemalige unter deutschen Protektorat stehende Kamerun nach dem Ersten Weltkrieg in die Hände Englands und Frankreichs fiel, geriet der deutsche Rechtsanwalt in britische Gefangenschaft.
Es war, als ob er sich in Sackgasse befände. Was sollte aus seinem Leben werden? Alfred Etscheit versuchte nach seiner Freilassung einen Neuanfang wieder in Berlin. Er heiratete im Jahr 1924 eine Juristin und baute mit ihr eine neue Kanzlei auf. Zwei Adressen sind erhalten, ein Umzug lässt auf das Leben der Kanzlei schließen: Berlin-Mitte Unter den Linden 34 und Berlin-Charlottenburg Uhlandstr. 182. In seiner neu aufgenommenen Anwaltstätigkeit genossen Alfred Etscheit und seine Frau offensichtlich das Vertrauen vieler katholischer Institutionen und oppositionellen Personen der NS-Ideologie. Er vertrat ihre Interessen in Prozessen und beriet ausführlich das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung. Dessen Tätigkeit wurde durch das Sammlungsgesetz und später durch die Aufhebung der Gemeinnützigkeit empfindlich gestört.
Über diese Verbindungen fand Dr. Alfred Etscheit im sogenannten Solf-Kreis Gleichgesinnte. Im Solf-Kreis versammelten sich Regimekritiker, die bedrohte Juden schützten und sich mit anderen Widerstandsgruppen Gedanken machten über einen Wiederaufbau nach dem Naziterror. Nach dem Verrat des Kreises zählte Etscheit zu den 76 verhafteten Mitgliedern. In einem Brief von Helmuth James Graf von Moltke vom 28. November 1944 wird Etscheit als Zugehöriger eines Transportes in das KZ Ravensbrück aufgezählt. Eine Anklage oder Verfahren hat es nie gegeben. Später überstellte man Dr. Alfred Etscheit in das KZ Flossenbürg in der Oberpfalz, wo er am 5. September 1944 den Torturen erlag. Ein Grab war ihm nicht vergönnt. Nach der Verbrennung der Leichname aller Getöteten wurde deren Asche im Umfeld ausgestreut. Nach dem Zweiten Weltkrieg schichtete man in einer „Aschepyramide“ die Überreste in der Gedenkstätte Flossenbürg auf.
Autor:
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll
Beauftragter der Dt. Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts