Gertrud Jaffé

Bildnachweis: Archiv des Deutschen Caritasverbandes

Gemeinde St. Ludwig, Berlin-Wilmersdorf

Adresse: Friedrichsruher Str. 8-9, Berlin-Halensee

Taufe, 1936, Gemeinde Mater Dolorosa

Geboren am 27. Juni 1903 in Frankfurt/Main. Ermordet vermutlich im Mai 1944 im KZ Stutthof.

Gertrud Jaffé, geb. Fulda stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie. Ihre Ehe, aus der ein Sohn hervorging, scheiterte. Wohl schon vor der 1935 erfolgten Scheidung wandte sie sich dem katholischen Glauben zu und wurde 1936 getauft. Sie erwarb sogar die Missio canonica, also die Befähigung, andere im Glauben zu unterweisen.

Nach der NS-Rassenideologie galt Gertrud Jaffé als „Volljüdin“. Angesichts des zunehmenden Terrors gegen die Juden sorgt sie sich besonders um ihren Sohn Andreas. Kurz nach den November-Pogromen 1938 nimmt sie Kontakt mit dem „Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin“ auf. Dort bemüht man sich zu dieser Zeit im Zusammenwirken mit anderen Organisationen und Initiativen besonders um die Rettung jüdischer Kinder. Auch der inzwischen 6jährige Andreas kann im August 1939 mit einem Kindertransport nach England ausreisen.

Bevor ihre Wohnung in Berlin-Halensee enteignet wird, übereignet sie diese der katholischen Kinderschwester Margarete W., die Andreas seit seiner Geburt betreut hatte und bei der sie nun als „Untermieterin“ wohnt. Während eines Aufenthalts in Freiburg vermittelt ihr Margarete 1941 den Kontakt mit der Caritas-Mitarbeiterin Dr. Gertrud Luckner, die sich im Auftrag des Freiburger Bischofs der Rettung Verfolgter verschrieben hatte. Durch Luckner lernt sie Dr. Margarete Sommer kennen, die Geschäftsführerin des Berliner „Hilfswerks“, und stellt sich ihr zur Mitarbeit zur Verfügung. Im Gestapo-Verhör wird Gertrud Jaffé später sagen: „Ich machte Besuche bei katholischen Juden und munterte sie auf ... So ist es mir gelungen, viele Juden von ihren Selbstmordabsichten abzubringen. Die Adressen der zu betreuenden Juden erhielt ich von dem Hilfswerk.“ Sie kann sogar katholischen Religionsunterricht an Konvertiten erteilen.

Zusammen mit einem befreundeten ehemaligen Richter, der als evangelisch getaufter Jude ebenfalls der Verfolgung ausgesetzt war, versucht Frau Jaffé mit Unterstützung von Frau Dr. Luckner dessen kleine Tochter Reha zu retten. Das Kind kann bei einer Pflegefamilie untergebracht werden.

Als Gertrud Jaffé im Herbst 1942 von ihrer bevorstehenden Deportation erfährt, taucht sie mit Hilfe einer Mitarbeiterin des Hilfswerks unter. Monatelang wird sie unter falschem Namen, von mutigen Helfern mit Dokumenten und Lebensmittelkarten ausgestattet, unter Mithilfe von Geistlichen in Ordenshäusern versteckt. Nach der Verhaftung von Dr. Luckner im März 1943 wird auch nach ihr gefahndet. Im Juni 1943 wird sie in Düsseldorf festgenommen; ihren Aufenthaltsort hatte die Gestapo von Margarete W. erpresst. Auch die kleine inzwischen knapp zwei Jahre alte Reha L. wird aus der Obhut ihrer Pflegeeltern gerissen. Zusammen mit der Kleinen wird Gertrud Jaffé zunächst nach Theresienstadt deportiert. Hier trifft sie auch den Vater des Kindes wieder. Sie nimmt sofort Kontakt mit der kleinen katholischen Gemeinde im Lager auf und gibt Kindern Religionsunterricht.

Ein Dreivierteljahr später werden Gertrud Jaffé und die kleine Reha nach Auschwitz verbracht. Dort „konnte sie es wagen, von der Lehre der Liebe zu sprechen, weil sie selber ihre Verkörperung war“, berichtet Cordelia Edvardson, die Tochter von Elisabeth Langgässer, nach ihrer Befreiung. „Ich sehe Gertrud vor mir, vor allem ihre Augen, wunderbare, klare, reine gütige Augen. So wie ihre Augen so war auch ihr Leben.“

Die kleine Reha stirbt in Auschwitz. Die Spur von Gertrud Jaffé verliert sich im KZ Stutthof.

Dr. Jürgen Meyer-Wilmes