Pfarrer Dr. Alfons Maria Wachsmann

Herz Jesu in der Pfarrei Bernhard Lichtenberg Berlin-Prenzlauer Berg / St. Josef in der Pfarrei St. Otto Usedom-Anklam-Greifswald

Über "Fake-News", über vorgetäuschte oder unvollständige Nachrichten mit manipulativer Wirkung und deren destabilisierende gesellschaftliche Wirkung wurde viel geschrieben. Pfarrer Dr. Alfons Wachsmann kannte wohl kaum den Begriff, war sich aber der darin liegenden Gefahr bewusst. In der Zeit der gleichgeschalteten nationalsozialistischen Medien hörte der Greifswalder Pfarrer deshalb beständig Radio Vatikan und den Londoner Rundfunk - trotz aller herrschenden Verbote und Überwachungen. Mehr noch: Die Informationen, die er so bekam, behielt er nicht für sich. Er gab die Nachrichten weiter im Kreis seiner Mitbrüder, unter den Pfarreiangehörigen, beim Einkauf um die Ecke. "Wahrheitsdienst" nannte er selber dieses Vorgehen.

Es kam, wie es kommen mussten. Wegen "Wehrkraftzersetzung" durch das Hören ausländischer Sender angeklagt, kam es am 4. Dezember 1943 in Berlin zur Verhandlung. Der berüchtigte Vorsitzende des "Volksgerichtshofes" Roland Freisler tobte: "Das ist ein ganz schwerer Fall! Jahrelang! 50 Mal! Unter der Autorität des Vorgesetzten! Das Reich würde ich aufgeben, wenn es ein solches Verbrechen nicht mit dem Tode bestrafen würde!"

Pfarrer Wachsmann wurde am 25. Januar 1896 in Berlin geboren, wuchs nach dem frühen Tod seines Vaters in Niederschlesien auf. Geprägt durch die Leiderfahrungen während des Ersten Weltkrieges entschloss er sich, Priester zu werden. Am 19. Juni 1921 geweiht, führte ihn seine zweite Kaplansstelle wieder in seine Geburtsstadt in die Pfarrei Herz Jesu Berlin-Prenzlauer Berg. Wachsmann agierte mit kluger pastoraler Umsicht und großem Elan, der er auch an seiner nächsten Stelle als Pfarrer in Greifswald und Hochschulseelsorger beibehielt, die er im Jahr 1929 annahm. Hier erwarb er sich großen Respekt. Stets stand er der NS-Ideologie kritisch gegenüber. Den "Endsieg" vermochte er nicht zu erwarten, die Einschränkungen des kirchlichen Lebens durch Schließung der katholischen Schule und des örtlichen Waisenhauses schmerzten ihn zutiefst. Er vermochte sie nicht zu verhindern. Seinen "Wahrheitsdienst" aber behielt er bei – ein stummer Protest mit weitreichender Wirkung.

Die Haftzeit setzte dem temperamentvollen Pfarrer schwer zu, wie die erhaltenen Briefe zeigen. Er musste lernen, dass Erfolg und Ansehen nicht als Lohn eines Lebens mit Christus zu ernten waren. Stattdessen aber wuchs in ihm ein tiefer Friede aus der Erkenntnis, Christus immer ähnlicher zu werden. Mit gefesselten Händen schrieb er am Weihnachtsfest 1943 aus dem Gefängnis: "So arm wie in diesem Jahr habe ich noch nie an der Krippe gekniet. Mir ist alles abgesprochen: mein Heim, meine Ehre, mein Leben. So will ich an der Krippe dessen knien, der nichts hatte, wohin Er Sein Haupt legen kann, der als Feind Seines Volkes zum Tode verurteilte wurde, der Sein Blut als Krankopfer ausgoß für das Heil Seines Volkes und der ganzen Welt. Als Gaben trage ich zur Krippe Hunger und Kälte, Einsamkeit und Verlassenheit. Mein einziger Schmuck sind die blanken Fesseln."

Es gelang, den Leichnam Pfarrer Wachsmanns nach der Hinrichtung in Brandenburg-Gören am 21. Februar 1944 nach Greifswald zu überführen. Im Schatten der Greifswalder Kirche St. Josef wurde er ehrenvoll beigesetzt. Der "Wachsmann-Kreis" der Gemeinde bemüht sich bis heute um sein ehrendes Gedenken.

Autor:
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll
Beauftragter der Dt. Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts