Pfarrer Josef Lenzel
St. Georg, Berlin-Pankow / St. Maria Magdalena, Berlin-Niederschönhausen
„Ein eisiger Nordsturm am 3. Januar läßt die Menschen erschauern, die Herzen sind erkaltet, die Liebe ist eingefroren. Der deutsche Mensch geht der grausigen Winternacht der Gottlosigkeit entgegen. Werden wir für das Martyrium stark genug sein?“ Diese Zeilen in der Pfarrchronik von St. Maria Magdalena aus den ersten Tagen des Jahres 1941 gewähren einen unverstellten Blick in das Seelenleben ihres Autors. Pfarrer Joseph Lenzel griff zur Feder, um mit dem Führen der Chronik seinen Aufgaben als Pfarrer nachzukommen. Doch dieser Eintrag geriet zu weit mehr, als nur einem sachlichen Bericht.
In Breslau im Jahre 1890 geboren, geweiht im Jahre 1915, führte ihn sein priesterliches Leben in zwei nahe beieinanderliegende Pfarrstellen. Sein Pfarrer bescheinigte ihm als Kaplan in St. Georg in Berlin-Pankow eine „herzgewinnende Güte und Menschenfreundlichkeit“. Die Haushälterin musste darauf achten, dass er nicht im wahrsten Sinne des Wortes sein letztes Hemd an Bedürftige verschenkte. Mit Herzblut baute er an seiner nächsten Stelle das Leben der neugegründeten Pfarrei St. Maria Magdalena in Berlin-Niederschönhausen auf. Im Bau der Kirche, Sorge um Ausstattung und ein Pfarrheim für das Gemeindeleben zeigte sich seine weitreichende pastorale Sorge.
Tief traf ihn seine Machtlosigkeit, dem zunehmenden Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie nicht Einhalt gebieten zu können. Er musste mit ansehen, wie die Kirche zunehmend aus dem Raum der Öffentlichkeit verdrängt wurde. Seine geliebten Katechesen für Kinder durfte er nicht mehr halten. Das Vereinsleben war vielfach eingeschränkt, Prozessionen verboten. Tief erschütterte ihn der feige Mord an Dr. Erich Klausener im Jahre 1934, dem Gesicht des Berliner Katholizismus der damaligen Jahre. Schon ahnte er sein eigenes Schicksal.
Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn im Jahre 1940 erfuhr er von polnischen Zwangsarbeiter auf dem Gebiet seiner Gemeinde. Den Gottesdienst der deutschen Gemeinde durften sie nicht besuchen. Pfarrer Lenzel konnte nach beharrlichem Bemühen vor den Behörden erreichen, dass er in der Pfarrkirche die Hl. Eucharistie für sie feiern konnte. Der Dank, die Aufrichtigkeit des Gesanges, die Tränen beim Empfang der Kommunion waren für den Priester Lohn genug für seine Mühe.
Allerdings durften zu diesen Gottesdiensten nur die polnischen Zwangsarbeiter erscheinen. Ein großes „P“ auf der Kleidung war Vorschrift und wurde kontrolliert. Inzwischen suchte die Gestapo einen Verhaftungsgrund für den unbequemen Pfarrer. Sie schleusten einen Spitzel ein, der bei der Eingangskontrolle das „P“ trug, es während des Gottesdienstes aber ablegte und so Anzeige erstatten konnte.
Polizeigefängnis Berlin Alexanderplatz, Arbeitslager Wulheide und schließlich Häftling Nr. 30 026 im KZ Dachau waren die folgenden Stationen des Kreuzweges des Pfarrers. Am 3. Juli 1942 erlag Pfarrer Lenzel den Strapazen. Eine Todesursache wird den Angehörigen in der Mitteilung nicht genannt.
Die Pfarrei St. Maria Magdalena vergaß ihren Pfarrer nicht. Besonders die Kolpingfamilien hielten sein Gedächtnis lebendig. Die jährliche „Lenzel-Feier“ ist fester Bestandteil des Jahresprogrammes.
Autor:
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll
Beauftragter der Dt. Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts