Heute vor 62 Jahren ahnten viele Berlinerinnen und Berliner nicht, dass sie am nächsten Morgen in einer anderen Welt aufwachen würden. Mitten in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 riegelten Soldaten die innerstädtische Sektorengrenze ab – der Bau der Berliner Mauer begann.
In den Tagen nach dem 13. August fliehen viele Menschen über die noch provisorische Grenze. Sie nutzen Momente der Unachtsamkeit der Grenzsoldaten, um den Stacheldraht zu überwinden, durchschwimmen Flüsse gen Westen oder seilen sich aus Fenstern grenznaher Häuser in den Westen ab. Der Wunsch nach Freiheit und die Sehnsucht nach Freunden und Familie lässt die Menschen alles riskieren. In den folgenden Jahren wird die Berliner Mauer immer weiter ausgebaut – und tödlicher. Allein in Berlin starben auf der Flucht aus der DDR mindestens 140 Menschen. Noch immer erinnern weiße Kreuze an diese sinnlosen Opfer.
Auch heute sind unzählige Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Männer, Frauen und Kinder lassen ihre Heimat und Familien zurück, um Sicherheit zu finden. Doch wie gehen wir mit diesen Menschen um? Die Mauern um Europa werden immer höher. Selbst Familien sollen zukünftig in großen, gefängnisähnlichen Ankunftszentren untergebracht werden. Helfer, die Menschenleben retten, werden angeklagt. Väter werden für den Tod des eigenen Kindes auf der Flucht verantwortlich gemacht.
Allein in diesem Jahr sind bereits über 1000 Menschen im Mittelmeer gestorben, erst im Juni hat uns ein schweres Schiffsunglück erschüttert. All diese Menschen sind Mütter und Töchter, Väter und Söhne, Menschen mit ihren eigenen Träumen und Hoffnungen – es sind unsere Brüder und Schwestern. Oft werden Sie namenlos vergessen, kein Kreuz, keine Erinnerung.
Menschen fliehen aus verschiedensten Gründen – sei es heute oder zu Zeiten der Deutschen Teilung. Seien wir offen für diejenigen, die in Not sind und auf uns zählen. Gerade wir in Deutschland wissen, wie verzweifelt Menschen auf der Suche nach Freiheit und einem sicheren Leben sein können. Und wir wissen auch, dass wir gemeinsam Grenzen überwinden können. Lassen Sie uns also einander die Hand reichen – und überwinden wir zusammen alle Widerstände – überwinden wir Mauern!
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und einen gesegneten Sonntag.