„Warum mutet mir Gott das zu?“

Kennen Sie das? Da läuft etwas aus dem Ruder: Nicht nur ein bisschen, sondern richtig. Zum Beispiel zerbricht die Beziehung zu einem geliebten Menschen. Oder der Tod reißt jemand Vertrauten von unserer Seite. Oder eine ärztliche Diagnose lässt alles von einem Augenblick auf den anderen bedeutungslos erscheinen.

Als Bischof und Seelsorger bin ich oft konfrontiert mit Leid. Teilweise in einem Ausmaß, das es mir unerklärlich macht, wie Menschen das überhaupt tragen können. Und meistens folgt in solchen Situationen früher oder später die Frage: „Warum?“ „Wieso ich?“ „Warum mutet mir Gott das zu?“
Die Frage nach dem Sinn des Leids in der Welt ist so alt ist wie die Menschheit selbst, und es gibt – jedenfalls für uns auf Erden – wohl keine befriedigende, alles klärende und alle beruhigende Antwort. Ich jedenfalls könnte Ihnen keine »glatte Lösung« nennen.

Was mir aber immer wieder auffällt, ist, dass es Menschen mit ihrem Leid erträglicher zu gehen scheint, wenn sie andere sehen, denen es ähnlich ergeht: Jemand im Bekanntenkreis durchlebt auch gerade eine Trennung oder einen Trauerfall. Oder neben mir im Wartezimmer sitzt jemand mit derselben Diagnose.

Da, wo wir Trost erfahren, geht es uns besser, auch wenn wir uns das Leid nicht erklären können. Und da, wo wir bereit sind, uns dem Leid anderer zu stellen, können wir trösten. Wo ich also mit-leide und Mit-Leid erfahre, werde ich im eigentlichen Sinne erst zum Menschen: zum Mit-Menschen.
Wir Christinnen und Christen erinnern uns in den Wochen der vorösterlichen Bußzeit des Leidens Jesu Christi. Für uns hat Gott in der Menschwerdung sein und unser Leid angenommen. Das Vorbild Jesu ruft uns auf, es ihm nachzutun, wenn wir andere leiden sehen: Im Leid beim anderen Menschen zu bleiben: Hilfe zu geben, auch wenn sie noch so klein ist; Trost zu spenden, auch wenn wir keine Erklärung geben können; zumindest aber mit ihm und für ihn zu beten.

Ob gläubig oder nicht gläubig: Wir alle sind aufgerufen, Menschen, und damit Mitmensch zu werden, ausnahmslos. Fangen wir im Leid und im Trost damit an, so wie es Christus für uns und mit uns getan hat.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und morgen einen gesegneten Sonntag.