Auftakt zum "Reformationssommer" Der Evangelische Kirchentag lockt mit viel Polit-Prominenz

Foto: DEKT / Jan-Peter Boening

Berlin (KNA) Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin und Wittenberg unterscheidet sich in mindestens zwei Punkten von seinen Vorgängern. Er findet nicht nur in der Hauptstadtregion um Berlin und Potsdam statt, sondern endet mit einem großen Abschlussgottesdienst im 100 Kilometer entfernten Wittenberg.

Und er wird nicht allein von der protestantischen Laienbewegung verantwortet, sondern auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Beides hängt zusammen, denn das Christentreffen vom 24. bis 28. Mai soll einer der Höhepunkte im Reformationsgedenkjahr 2017 werden.

Im Motto "Du siehst mich" und im Logo mit den beiden Kulleraugen spiegelt sich dies allerdings ebenso wenig wider wie im Programm: Nur wenige der 2.500 Einzelveranstaltungen befassen sich mit Martin Luther oder der Reformation als solcher. Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär bezeichnet das Großevent selbst als "angewandte Reformation", wenn auch offen bleibt, was das genau bedeuten soll.

Die angepeilten mehr als 100.000 Teilnehmer erwartet jedenfalls eine Fülle von Diskussionsveranstaltungen, Bibelarbeiten und Gottesdiensten. Allein das Kulturprogramm umfasst mehr als 700 Termine, wobei 33 Kultureinrichtungen aus Berlin und Potsdam eigene Angebote machen. Nicht nur auf dem Messegelände, wo wieder das Kernprogramm stattfindet, sondern in der ganzen Stadt sollen insgesamt 55 Bühnen bespielt werden.

Besonders zahlreich ist im Wahljahr die Polit-Prominenz vertreten, an ihrer Spitze Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie fast die komplette Bundesregierung. Auch der neue SPD-Vorsitzende Martin Schulz gibt sich die Ehre, und für die Grünen ist die ehemalige Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt dabei. Selbst die ungeliebte AfD wird - anders als im vergangenen Jahr beim Katholikentag in Leipzig - auf einem Podium präsent sein, bei dem es um die Frage "Christen in der AfD?" gehen soll. Mit der Vorsitzenden der entsprechenden Bundesvereinigung, Anette Schultner, diskutiert dabei der Berliner Bischof Markus Dröge, der sich mehrfach kritisch zu der Partei geäußert hat.

Dieses Podium dürfte allerdings ebenso wie alle anderen am Donnerstagvormittag im Schatten des Auftritts von Ex-US-Präsident Barack Obama stehen, der um diese Zeit mit Kanzlerin Merkel vor dem Brandenburger Tor diskutieren soll. Nicht nur EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann freut sich darüber, dass Obama "als Zugpferd" die Internationalität des "Reformationssommers" verkörpere. Dagegen kritisierte etwa der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, es handele sich um eine "reine Showveranstaltung".

Politische Schwerpunktthemen sollen nach Angaben Ueberschärs unter anderem Europa und der Klimawandel sein. Zum Thema Flüchtlinge gibt es nicht nur eine Podienreihe und ein "Begegnungszentrum Willkommenskultur", sondern auch eine Schweigeminute am Kirchentags-Freitag bei allen Veranstaltungen um 12 Uhr zur Erinnerung an die mehr als 10.000 umgekommenen Geflüchteten. "Wir wollen uns mit klarer Haltung, aber auch offen im Gespräch auf andere Sichtweisen einlassen", so Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au. Dialog - etwa auch mit dem atheistischen Humanistischen Verband - sei "die Grundhaltung dieses Kirchentags".

Auch Ökumene und interreligiöser Dialog gehören traditionell dazu. Als Gäste werden etwa der Vorsitzende der katholischen  Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos, sowie erstmals der Primas der anglikanischen Kirche, Erzbischof Justin Welby, erwartet. Während es zum interreligiösen Dialog eigene Zentren "Juden und Christen" sowie "Muslime und Christen" gibt, ist das Thema Ökumene allerdings auf einen "Thementag" eingedampft.

Mit dem großen Gottesdienst auf den Elbwiesen von Wittenberg, der zugleich den Auftakt für das dortige bis September dauernde Programm des Reformationsgedenkjahrs bildet, endet der Kirchentag. Von Berlin und sechs "Kirchentagen auf dem Weg" in acht Städten Mitteldeutschlands werden dazu rund 200.000 Teilnehmer erwartet.