Berlin (KNA) Die Berliner Bischöfe haben zum gesellschaftlichen Engagement für eine soziale Einheit in Deutschland aufgerufen. "Nur wenn wir alle mitnehmen, sichern wir den sozialen Frieden in unserem Land", sagte der evangelischer Bischof Markus Dröge am Mittwoch im ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit. Im Berliner Dom erklärte er vor Spitzenvertretern aus Politik, Kultur und Gesellschaft: "Wenn wir die Einheit unseres Landes, wenn wir die Freiheit und Demokratie nicht gefährden wollen, dann müssen alle im Blick sein."
Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch <link file:32908 _blank>mahnte in der Predigt mehr Lernbereitschaft an: "Die gegenwärtigen inhaltlichen und kommunikativen Verhärtungen in unserer Gesellschaft zeigen genauso wie die simplifizierenden Pauschalisierungen und wuterfüllten Empörungen des Populismus unserer Tage, dass wir oft vergessen haben, uns als Lernende zu verstehen in vielen Bereichen". Lernen sei "lebensnotwendig" für eine Gesellschaft. Dazu gehöre auch die Auseinandersetzung und der Austausch mit Menschen, deren Lebensart und Lebenskultur einem zunächst fremd und "im guten Sinne fragwürdig erscheint".
An dem Gottesdienst, der den Auftakt des Festakts zum Tag der Deutschen Einheit bildete, nahmen auch die Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Joachim Gauck und Horst Köhler teil, sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Botschafter des Papstes in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic. Der Nationalfeiertag stand in diesem Jahr unter dem Leitwort "Nur mit euch". Zum Bürgerfest rund um das Brandenburger Tor kamen Zehntausende Bürger. Berlin ist in diesem Jahr turnusgemäß Gastgeber der zentralen Veranstaltung.
Merkel erklärte beim Festakt in der Staatsoper, die Einheit sei noch nicht vollendet: "28 Jahre später wissen wir aber, dass das, was wir Deutsche Einheit nennen, ein Prozess ist, ein langer Weg, der immer wieder auffordert, einander zuzuhören, aufeinander zuzugehen, nicht nachzulassen." Es sei aber immer wieder eine Freude, diesen Tag zu begehen, sagte Merkel weiter. Sie erinnere sich immer wieder voller Emotionen an 1990.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnte vor Populisten und ihren Versuchen, Minderheiten und Volksvertreter zum Feindbild zu machen. Der ökonomische Erfolg verleihe offensichtlich kein Selbstbewusstsein, sondern schüre Abstiegsängste. Schäuble warb für mehr Mut und Vertrauen in das Handlungsvermögen der Gesellschaft. Sie schüfen einen "zeitgemäßen Patriotismus".
Migrantenverbände forderten auch einen "Tag der deutschen Vielfalt". Dabei sollten die positiven Aspekte der Einwanderungsgesellschaft symbolisch gewürdigt werden, forderten die "Neuen Deutschen Organisationen". Mittlerweile hätten 20 Millionen Bundesbürger einen Migrationshintergrund. "Dieses Land ist ihre Heimat geworden."
Viele Menschen aus Einwandererfamilien hätten die Teilung und Wiedervereinigung miterlebt, hieß es. Trotzdem werde die deutsche Einheit üblicherweise "aus einer rein 'weißen' Sicht betrachtet - deutschdeutsche Ostdeutsche wiedervereint mit deutschdeutschen Westdeutschen", kritisieren die Verbände. Vergessen werde oft auch, dass die Wiedervereinigung für einen Teil der Gesellschaft mit rassistischen Erfahrungen einhergegangen sei.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte die Wiedervereinigung als die größte Leistung des Landes: "Im Westen haben Menschen auf Wohlstandszuwachs verzichtet, in Ostdeutschland hat sich der überwiegende Teil der Bevölkerung ein neues Leben aufgebaut." Das müsse gewürdigt werden, sagte er der "Rheinischen Post".
Im jüngsten Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Einheit heißt es, es gebe wirtschaftliche Fortschritte, aber immer noch große Unterschiede zum Westen. Viele Ostdeutsche hätten das Gefühl, dass ihre Probleme nicht richtig wahrgenommen würden.
Nach einer am Dienstag veröffentlichten YouGov-Studie feiert ein Großteil der Bundesbürger den Tag der Deutschen Einheit nicht. 69 Prozent erklärten: "Ich feiere gar nicht." Besonders im Westen hält sich die Feierlaune in Grenzen. Dort gaben 28 Prozent an, feiern zu wollen. Im Osten waren es 40 Prozent. Eine emotionale Bedeutung hat der Tag demnach für 2 von 5 Deutschen (41 Prozent). Dagegen sagten 57 Prozent, er habe für sie keine emotionale Bedeutung.