Erholung im Land der TäterHolocaust-Überlebende mit Maximilian-Kolbe-Werk in Berlin

Berlin (KNA) Als Säugling wurde Wojciech Debowski aus einem fahrenden Zug geworfen. Das war seine Rettung. Denn Endstation war damals: Das Vernichtungslager Treblinka in Polen. Seinen genauen Geburtstag kennt Debowski bis heute nicht. "Ich bin im Jahr 1939 oder 1940 geboren", sagt er am Dienstagabend bei einem Empfang des Erzbistums Berlin.

Gemeinsam mit elf weiteren jüdischen Holocaust-Überlebenden aus Polen ist er bis zum 11. August in der Bundeshauptstadt zu Gast. "Bis 1947 hatte ich keinen Namen", erinnert sich Debowski mit stockender Stimme. "Bis ich 20 war, hatte ich kein Familienleben. Ich war immer nur in Erziehungsheimen."

Nicht nur Debowski hat solche traumatisierenden Erfahrungen gemacht. Auch die anderen Überlebenden sind der systematischen Vernichtung durch die Nazis oft nur knapp entkommen. Auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werkes sind sie nun im Land der Täter.

Das Hilfswerk ist nach dem 1941 in Auschwitz ermordeten Franziskaner-Pater Maximilian Kolbe benannt. Es hilft seit 1973 ehemaligen Häftlingen der Konzentrationslager und Ghettos im Osten Europas. "Heute gibt es noch etwa 12.000 Überlebende", sagt der Hilfswerk-Mitarbeiter Peter Schneider. "Polen war 1973 das Land, wegen dem das Maximilian-Kolbe-Werk überhaupt gegründet wurde", erzählt Schneider, der die Reisegruppe ehrenamtlich begleitet.

"Eigentlich sind alle unsere Geschichten filmreif", meint Anna Bielecka. Ihr sind nicht nur die Erinnerungen wichtig, sondern auch die Zukunft. Darum engagiert sie sich in mehreren Vereinen. Die "Kinder des Holocausts" etwa tauschen sich auch in ihrer Heimat über die Vergangenheit aus. Sie kämpfen vor allem gegen das Vergessen.

Die meisten Überlebenden haben nach dem Zweiten Weltkrieg trotz der harten Erfahrungen ihr Familienglück gefunden. Stolz erzählen die Gäste von Kindern und Enkeln, die im Ausland studieren. Anna Bielecka warnt dennoch: "Wir müssen uns für eine tolerante Gesellschaft einsetzen. Das ist überall wichtig, nicht nur in Polen."

Der Gastgeber im Erzbischöflichen Ordinariat, Generalvikar Manfred Kollig, zeigt sich tief bewegt von den Erinnerungen der Holocaust-Überlebenden. "Die Schöpfung und Gott verbinden uns als Juden und Christen", hob er hervor, auch wenn die Nationalsozialisten das Christentum missbraucht hätten, um die Juden als Christusmörder darzustellen. Dem habe sich der Selige Bernhard Lichtenberg, der in der Folge selbst ein Opfer des Faschismus wurde, als Berliner Dompropst vehement widersetzt. "Er betonte öffentlich, zu den Nächsten, die Christen gemäß dem Gebot Jesu lieben sollen, gehörten auch Juden und alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion und Leistung. Dieser Grundsatz der Würde jedes Menschen ist heute Bestandteil Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland."

Zu allen Zeiten sei es wichtig die Gemeinsamkeit zwischen Juden und Christen zu unterstreichen. Die Teilnehmenden erhielten als Geschenk einen Kugelschreiber und zwei Fotos von Fenstermalerein aus dem Erzbistum Berlin. Ein Detail aus der Glaswand in St. Konrad Falkensee entstammt einem Kunstwerk zum Thema Schöpfung, für die Juden und Christen gemeinsam von Gott die Verantwortung anvertraut wurde. Er zeigte sich beeindruckt davon, dass alle Teilnehmenden, die als Kinder die schrecklichen Qualen und Ängste des Holocaust aushalten mussten, heute mit Freude von ihren eigenen Kindern und Enkelkindern erzählten.

Das zweite Glasfenster „Brennender Dornbusch“ aus St. Matthias in Berlin verweist auf den Propheten Mose, der Jahwe begegnet und sich von ihm sagen lässt: Hier ist heiliger Boden. Jeder Teil der Erde ist heiliger Boden, weil Jahwe überall gegenwärtig ist. Dies sagt Jahwe Mose damals und uns heute zu: „Ich bin der‘ Ich-bin-da‘“, und das unter allen Umständen.

Vor allem aber bedankt sich P. Manfred für die Offenheit der Überlebenden, die von ihren schrecklichen Erfahrungen ohne Ressentiments berichten. Der Generalvikar dankt ihnen in deren Muttersprache: "Dziękuję."