„Greif an das Werk mit Freuden“

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Seine Konzerte führten ihn quer durch Deutschland und auch in Japan trat Martin Rathmann schon auf. Doch seine musikalische Heimat ist seit 25 Jahren die Gemeinde St. Marien in Berlin-Reinickendorf.

„Corona“ wurde einst in Italien das Zeichen der Fermate genannt, „welches, wenn es über gewissen Noten in allen Stimmen zugleich vorkommt, ein allgemeines Stillschweigen oder eine Pausam generalem bedeutet“ (Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon 1732). Diese Assoziation hat wohl nur ein Kirchenmusiker, dessen Dienstjubiläum in die Zeit der Corona-Pandemie fällt.

Seit dem 1. Juli 1995 ist Diözesankirchenmusiker Martin Rathmann neben seinen vielfältigen gemeindeübergreifenden Aufgaben hauptsächlich eins: Kirchenmusiker in St. Marien (Berlin-Reinickendorf). Dort leitet er unter anderem sieben Gemeindegruppen, in denen über 80 Menschen im Alter von fünf bis 85 Jahren gemeinsam singen und musizieren.

Die Zeit der Pandemie bedeutet für Rathmann einerseits: Atem-Not; Absage sämtlicher Präsenztermine, die mit gemeinsamem Singen und Musizieren und Unterrichten zusammenhängen. Andererseits heißt es für ihn, neue Formen der musikalischen Verkündigung zu entwickeln und gewonnene Freiräume zu nutzen. So hat er zum Beispiel unter dem Titel „Den Osterfestkreis hörbar machen“ 19 Orgelstücke unterschiedlichster Art eingespielt, mit Textfragmenten versehen und online gestellt. Diese Einladung zur Meditation der Glaubensinhalte von Aschermittwoch bis Pfingsten erreichte mehrere tausend Hörer. Reaktionen erhielt er darauf aus nah und fern, sogar aus Japan.

In den aktuell stattfindenden Gottesdiensten ist nach wie vor jeglicher Gemeindegesang verboten. Durch Improvisationen und passende Orgelliteratur setzt Rathmann dennoch immer wieder Akzente.

Musik ist Bestandteil der Verkündigung


In dieser Ausnahmesituation wird einmal mehr deutlich, dass „Musik keine bloße Zutat ist, kein Geschmacksverstärker, sondern substanzieller, integraler Bestandteil in unseren Gottesdiensten, Teil der Verkündigung, Anker und lebendiges Netzwerk für die Gemeinde und Freude und Trost im biblischen Sinne schenkt“, betont Rathmann.

Martin Rathmann ist Jahrgang 1963 und studierte an der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig, wo er Examen in den Hauptfächern Orgel und Dirigieren ablegte. Von 1990 bis 1992 war er zweiter Kapellmeister und Studienleiter am Landestheater Altenburg und wechselte dann als Kirchenmusiker nach Berlin. Seit 1995 ist er in St. Marien (Berlin-Reinickendorf) tätig. Von 1995 bis 2018 war Rathmann Regionalkirchenmusiker im Erzbistum Berlin für die Region Nord, seit 2019 ist er Diözesankirchenmusiker und Mitglied in der Kommission für Kirchenmusik.

Der Liedvers „Greif an das Werk mit Freuden, dazu mich Gott beschieden in meim Beruf und Stand“ aus dem Gotteslob (Nr. 86,4) kann wie eine Schlagzeile über seinem vielgestaltigen künstlerischen Wirken stehen. „Daran kann“, wie er selbst sagt, „auch ein Virus oder ein Lockdown nichts ändern. Mit Gottes Hilfe lassen sich Wege finden – durchaus mit Musik, immer wieder.“ (wpe)

Wenn die Bestimmungen es zulassen, spielt Martin Rathmann anlässlich seines Jubiläums zum Kirchweihfest von St. Marien am 18. Oktober um 16 Uhr ein Orgelkonzert.