Sprayen für die IntegrationJugendverbände stellen Projekte für junge Geflüchtete vor

(c) BDKJ Berlin

Berlin (KNA) Schhhhhhhhhhh - mit raschen Bewegungen sprüht die junge Frau die Farbe auf, zuerst die äußeren Linien. Dann füllt sie die Flächen aus. Sie trägt einen Mundschutz und einen weißen Schutzanzug. Ihre langen dunklen Haare hat sie unter eine Kapuze gestopft. Neben ihr steht eine Kiste mit vielen bunten Spraydosen. Nach und nach erscheinen an der Wand die Schriftzüge "Bunt Berlin".

Tahera Khanmirza ist eine von etwa zehn Geflüchteten, die am Graffiti-Workshop "Bunt und Direkt" des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) teilgenommen hat. Am Dienstagabend stellten sie einen Film zu ihrem Projekt in den Ausstellungsräumen der Berliner "Forum Factory" vor. Der Landesjugendring Berlin hatte Jugendverbände, die mit Geflüchteten arbeiten, zum "Politischen Abend" eingeladen. Unter dem Motto "Jung, geflüchtet, selbstbestimmt" erzählten die jungen Menschen von ihren Fluchterfahrungen und ihren Erwartungen an das Leben in der neuen Heimat.

Khanmirza floh 2010 aus Afghanistan. Zwei Jahre verbrachte sie in Griechenland, bevor sie mit ihrer Mutter nach Deutschland weiterreisen konnte. Mittlerweile hat die 19-Jährige ihr Abitur gemacht, sie studiert an der Freien Universität Berlin Volkswirtschaftslehre. Doch am Anfang war "alles schwer". Zusammen mit ihrer Freundin Farahnaz Rahimi, die ebenfalls aus Afghanistan stammt, stellte sie deshalb ihre Forderungen an die deutsche Gesellschaft vor.

Der "Nachteilsausgleich" in Schule und Universität ist den beiden am wichtigsten. "Wir wollen, dass Geflüchtete in Klausuren ein Wörterbuch in ihrer Muttersprache nutzen können", sagte Rahimi. Außerdem forderten sie, dass jeder junge Mensch die Chance auf ein Asylverfahren erhält und die Möglichkeit, seine Familie aus dem Ausland nachziehen zu lassen.

Im zweitägigen BDKJ-Workshop tauschten sich die Afghaninnen zunächst mit jungen Menschen aus Syrien und Deutschland aus. Auf Plakaten hielten sie fest, was sie mit Berlin verbinden. "Multikulturell", "schön", "Freiheit", steht dort, aber auch "arm", "unfreundlich" und "Fremdsein". Was sie sich von Berlin wünschen? "Eine bunte Familie" ist zu lesen, "Fremde Zusammenleben" und "Gleichheit".

Anschließend entwarfen die Workshop-Teilnehmer erste Skizzen für Graffiti - für einige eine Herausforderung. Denn manche Geflüchtete müssen erst noch die lateinischen Schriftzüge lernen, wie Paul Müßig vom BDKJ berichtet. Für ihn sind Graffiti "Kult und Lebensstil". So kann man Jugendliche nach seiner Erfahrung einfach am besten erreichen. Dass die jungen Menschen illegal sprühen werden, glaubt der 23-Jährige nicht: "Unser Motto ist 'gemeinsam legal sprayen'".

Auch für Jurij Paderin von der Graffiti Lobby Berlin, die mit dem BDKJ zusammenarbeitete, sind Graffiti der optimale Weg, um junge Geflüchtete in Deutschland zu integrieren. "Jeder kann malen, Comics sind in, und man kann voll viel erklären", ist der 36-Jährige überzeugt, der sich selbst als "Graffiti-Pädagoge" bezeichnet. Außerdem hätten Geflüchtete aus dem muslimischen Kulturraum zu nichtfigürlichen Darstellungen einen schnelleren Zugang als zu figürlichen, die nach einer orthodoxen Auslegung des Islam verboten sind.

Doch eigentlich spielte die Religion keine große Rolle im Workshop. "In Zeiten, in denen es so viele religiöse Konflikte gibt, wollten wir nicht den Glauben in den Vordergrund stellen, sondern uns auf das Gemeinsame konzentrieren", sagte Katharina Tradt von der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ), die das Projekt mit dem BDKJ initiierte. Khanmirza und Rahimi sehen das genauso. "Wir sind Muslime. Jeder ist anders. Wir verstehen uns."

Das Fazit? "Wir brauchen noch mehr gesellschaftliches Engagement und noch mehr Barrierefreiheit für Geflüchtete", forderte Müßig. Das fange beim muttersprachlichen Wörterbuch an und gehe bis zur Ansage in U-Bahnen. "Warum gibt es nicht einfach überall Durchsagen auf Englisch?", fragte er. Es seien Kleinigkeiten wie diese, die durch den Workshop erst bewusst geworden seien. In einem Satz fasste er seine Erwartungen zusammen: "Berlin muss noch bunter und vielfältiger werden, damit sich alle wohlfühlen."