Charismen zum Aufbau nutzen Peter Kloss über das Modellprojekt „Ehrenamt im Aufbruch“

Peter Kloss und der Arbeitskreis Ehrenamt wollen das Modell des charismenorientierten Ehrenamts praktisch erproben. (Foto: Walter Wetzler)

Berlin. Es muss sich etwas ändern, dessen ist sich Peter Kloss, Referent für Ehrenamtsentwicklung, sicher. Die von Gott gegebenen Gaben müssen für den Aufbau der Gemeinde genutzt werden. Wie das gehen kann, will er im Modellprojekt „Ehrenamt im Aufbruch“ erarbeiten.

Herr Kloss, der Flyer des Arbeitskreises Ehrenamt ist überschrieben mit: „Gott hat jeder Pfarrei bereits alle Gaben gegeben.“ Eine steile These.

Ja. Ja, die überprüfen wir gerade. (Lacht.) Wir setzen aus gläubiger Überzeugung voraus, dass gerade in einem Raum wie hier (zeigt auf die Bistumskarte an der Wand) die von Gott geschenkten Geistesgaben der eigentliche Reichtum der Kirche sind und die entscheidenden Impulse für die Gestaltung der Pfarreien liefern. Gott ist nicht nur auf die Katholiken angewiesen, sondern gibt den Menschen, weil sie Menschen sind, schon einmal viel Kostbares mit. Wir setzen diese These, um klarzumachen: Es gibt viel mehr als in den Pfarreien nach klassischer Funktion sichtbar ist.

Sie wollen über die Gemeindegrenzen hinaus arbeiten?

Es wäre interessant, mit einer teilnehmenden Pfarrei gezielt in ihr Umfeld zu kommunizieren, wofür sie steht und was ihr wichtig ist, so dass die Leute aufmerksamer werden als bisher. Das gehört sicherlich zu diesem Projekt, die Fragen: Wie stellen wir uns dar? Wie nehmen uns andere wahr? Wissen wir überhaupt, wer hier lebt?

Wie sieht das in der Praxis aus?

Unter fachlicher Begleitung und mit wissenschaftlichem Fachwissen werden wir genau hinschauen, welche Menschen zur Pfarrei gehören, welche sichtbar und aus welchen Gründen engagiert sind und welche eben nicht. Welche Wege die Gemeinden beschreiten könnten, um herauszubekommen, wer mit welcher Gabe beschenkt ist und aus welchen Motiven sich jemand engagieren würde. Wie sähe eine Pfarrei aus, die den vorgefundenen Gaben konsequent Raum gibt?

Können Sie in zwei Sätzen umreißen, was ein Charisma ist?

Ein Charisma ist eine von Gott in der Taufe geschenkte Gabe und kann mit einer Stärke einhergehen, die einem in die Wiege gelegt wurde. Ein Charisma dient immer zum Aufbau der Gemeinde, es muss erkannt werden und ist etwas, was ausstrahlt und anderen nützt.

Haben Sie Beispiele?

Es gibt keine abschließende Charismenliste. Beispielsweise gibt es Beziehungsbegabte, die eine besondere Wahrnehmung für Stimmungen haben. Reden können, formulieren können, Dinge auf den Punkt bringen ist auch eine Begabung. In einer guten Weise Leute motivieren, Streit schlichten und Frieden stiften …

Charismenorientiertes Ehrenamt klingt für mich, als würden am Ende die ungeliebten Aufgaben übrig bleiben.

(Lacht.) Ich glaube, letztendlich wird es immer ein „Sowohl als auch“ sein. Wir kommen ja her von dieser sozusagen klassisch betriebenen Pfarrei. Da gibt es Realitäten: Irgendwer muss die Palmzweige verbrennen, damit man Aschekreuze verteilen kann, die Weihwasserbecken füllen, sich für die Katechese zur Verfügung stellen und ähnliches. Es gibt ein Bündel an Aufgaben, die nicht zur Disposition stehen. Und es wird immer Leute geben, die sie machen – weil sie da sind. Glaube ich.

Und Sie glauben, dass auch immer jemand da sein wird, der freiwillig die Toiletten putzt?

Toiletten werden ja jetzt auch gereinigt. Ob das nun mit Charisma passiert oder bezahlt wird, würde ich jetzt mal offen lassen.

Also ist eine Grenze erreicht?

Ich finde es ist eine Schieflage, wenn man sich nur noch über die zu bewältigenden Aufgaben definiert. Dann hat man einen Kanon an Dingen, die wichtig sind, und denen rennt man im Grunde genommen hinterher. Ich glaube, das macht auch nach außen hin nicht sehr attraktiv, wenn man neu in die Gemeinde kommt und sieht: Hier ist überall Knappheit, und wenn ich nicht irgendwas mache, komme ich nie rein. Mit diesem Projekt werden wir vielleicht eine Art entwickeln, wie wir Kontakt kriegen zu den Menschen, die dazugehören – oder auch zu Leuten, die gar nicht dazugehören, aber ein Interesse haben, sich auf ihre Weise zu engagieren.

Wie ist der Stand des Projekts?

Das Projekt hat der Arbeitskreis „Ehrenamt und Freiwilligenarbeit“ innerhalb des Prozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“ erdacht, und die Bistumsleitung hat es angenommen. Jetzt sind wir in der Bewerbungsphase und planen die Zusammenarbeit mit der Uni Bochum. Es läuft schon an: Wir haben die Flyer herausgeschickt, es gibt bereits Bewerbungen von Gemeinden und interessierte Nachfragen.

Welche Rolle spielt dabei die Universität Bochum?

Dort gibt es ein Zentrum für angewandte Pastoralforschung. Dort forschen Menschen über pastoralpraktische Themen, zum Beispiel Ehrenamt. Die Doktoranden werden dort befristet angestellt, und die Personalkosten tragen zum einen Teil die Uni Bochum und zum anderen das jeweilige Bistum, in dem ein Forschungsprojekt stattfindet. Und diese Doktoranden arbeiten und forschen dann vor Ort mit den Gemeinden.

Wie sind denn bisherige Erfahrungen mit charismenorientiertem Ehrenamt?

Charismenorientierung gibt es in der Fachliteratur und der aktuellen Diskussion als Begriff, und der ist auch unbestritten bis hin zu den Bischöfen. Aber es gibt bislang keinen Projektversuch. Wir sind dann die ersten, die einen Versuch machen mit der Frage: Was verändert sich eigentlich – oder was muss sich verändern –, wenn die Pfarrei von dem, was den Menschen von Gott gegeben ist, mitgestaltet wird?

Nach welchen Kriterien wählen Sie Gemeinden für das Projekt aus?

Wir bitten darum, dass die interessierten Pfarreien oder pastoralen Räume in ihrer Bewerbung ihren Veränderungsbedarf benennen und ihre Zielsetzung, mit der sie in den dreijährigen Prozess einsteigen würden. Das bloße Auffüllen des Pools von Ehrenamtlichen für bereits bestehende Aufgaben ist nicht das Ziel des Projekts. Wir wünschen uns Leute, die sagen: Wir machen diesen Prozess, investieren Zeit und lassen uns davon verändern. Die Veränderungsbereitschaft und das Interesse an Erneuerung wird sicherlich ein entscheidendes Kriterium sein.

Was ist Ihr Traum, Ihre Vision, was am Ende herauskommt?

Eine Pfarrei, die über ihre bisherigen Grenzen reicht. Die sozusagen durchlässige Ränder hat, wo Leute reinkommen, sich ihren Gaben gemäß für begrenzte Zeit engagieren und durchaus nach einer Zeit auch wieder rausschwimmen, ohne dadurch in Misskredit zu geraten. Das wäre meine Vision.

Interview: Cornelia Klaebe

Eine Bewerbung von Gemeinden für das Modellprojekt ist noch bis Ende April möglich.

Infos gibt Peter Kloss: (030) 32 68 45 42 oder peter.kloss@erzbistumberlin.de