Länderspiel für Berliner Kirchenfußballer

Die Frauenteams beim Mannschaftsfoto. Foto: Stefan Schilde

Im KSV Johannisthal gehen Katholiken, Protestanten und Nicht-Christen ökumenisch auf Torejagd. Jetzt war ein besonderer Gegner zu Gast: die Nationalmannschaft des Vatikan.

Die Bratwurst brutzelt und duftet, das Bier fließt. Die Zuschauer finden sich langsam an ihrem Platz an der Alubarriere rund ums Spielfeld ein. Eigentlich alles wie immer, wenn der Berliner Fußballverein KSV Johannisthal im heimischen Käthe-Tucholla-Stadion aufläuft. Doch diesmal sind mit 207 deutlich mehr Zuschauer gekommen als sonst und spätestens, als vor dem Anstoß plötzlich Nationalhymnen ertönten, war allen klar: Hier findet etwas Besonderes statt.

Tatsächlich ist der Gegner der Mannen der Freizeitfußballer aus dem Bezirk Treptow-Köpenick im Südosten der Hauptstadt niemand Geringeres als die Nationalmannschaft von Vatikanstadt. Die spielen sonst unter sich in der Vatikanliga: Team Krankenhaus gegen Team Poststation, Team Museum gegen Team Schweizer Garde. „Im Hinspiel in Rom haben wir 1:7 auf die Mütze bekommen. Diesmal wollen wir besser abschneiden“, sagt Elmar Werner. Der ehemalige evangelische Jugendpfarrer hat den Verein 1980 mitgegründet, zusammen mit Joachim „Justus“ Döhrig, der heute auch die Fußballschuhe schnürt.

„Zuerst haben wir gegeneinander gespielt: Protestanten gegen Katholiken. Zwischen der evangelischen und der katholischen Jugend bestand guter Kontakt“, erinnert sich Elmar Werner. „Die Protestanten gewannen mit 3:2. Dafür konnten die Katholiken besser feiern, hatten außerdem die hübscheren Frauen.“ Beim Bier sei beiden eine Idee gekommen, weiß Justus Döhrig noch: „Wir dachten: Warum nicht miteinander statt gegeneinander spielen?“ So wurde 1980 der KSV Johannisthal aus der Taufe gehoben.

Man bekommt ausweichende Antworten auf die Frage, wofür KSV offiziell steht. „Klein, kirchlich, kreativ und kulturell“, schmunzeln beide. Dass der Verein laut Satzung ausdrücklich als alternativer Fußballverein zur damaligen „sozialistischen Sportbewegung“ firmierte, schmeckte den Machthabern nicht. „Wir hatten sogar mal einen IM der Stasi in der Mannschaft. Den haben wir aber enttarnt“, sagt Elmar Werner. Vereinskamerad Justus Döhrig schwärmt noch heute von den Höhepunkten der Vereinsgeschichte, wie dem Freundschaftsspiel gegen die Botschaften Frankreichs und der Tschechoslowakei, sogar gegen Vereine aus „Westberlin“. „Die Obrigkeit hat es zähneknirschend hingenommen“, sagt er.

Das Spiel gegen die Vatikan-Elf ist ein weiteres Highlight in der Vereinsgeschichte. Und so treten die Johannisthaler, bei denen längst auch viele Nicht-Christen mitspielen, auch auf: energisch und mutig nach vorn, man hatte sich offenbar was vorgenommen. Schon nach drei Minuten mussten die hochfavorisierten Gäste aus Rom das erste taktische Foul ziehen, Schiedsrichter Christian Gaebler, hauptberuflich Berliner Bausenator, gleich mal „Gelb“ zücken. Als der Vatikan mit 1:0 in Führung ging, dachten dennoch alle: Jetzt kommt das Erwartbare. Doch mit einem schönen Konter glich der KSV aus – 1:1, Halbzeit. Der Pausentee schien den Johannisthalern besser bekommen zu sein, denn nach dem Wiederanpfiff erhöhten die Gastgeber auf 3:1, die Vatikanstädter konnten nur noch auf 3:2 verkürzen. Der KSV verteidigte bis zum Schluss mit Mann und Maus, widerstand der Belagerung erfolgreich. Großer Jubel beim Sieger, entgeisterte Gesichter bei den Verlierern, die reichlich verdattert in den Kabinen entschwanden und auf das gemeinsame Mannschaftsfoto verzichteten. Dem über beide Ohren strahlenden Justus Döhrig, der zu einem fünfminütigen Kurzeinsatz kam, ist es egal: „Was solls? Das sind Italiener, die haben eben ein anderes Temperament.“

Eine bessere Figur als ihre männlichen Pendants machte da die Fußballerinnen des Vatikan. Die verloren gegen die KSV-Frauen – in Wahrheit Legionärinnen vom Bonner Verein SV Ennert, denn ein eigenes Frauenteam hat der KSV (noch) nicht – zwar klar mit 0:3. Aber sie hatten trotzdem Spaß, reichten ihren Bezwingerinnen nach dem Spiel die Hand. „Natürlich hätten wir gern ein besseres Ergebnis erzielt“, sagt Trainerin Susan Volpini. „Aber es war ein tolles Erlebnis und Austausch und die Gemeinschaft stehen im Vordergrund.“