Die Missionsärztlichen Schwestern in Berlin laden zum meditativen Bogenschießen ein. Dabei denken sie mit ihren Gästen über den Wechsel von Anspannung und Loslassen und über die Ziele in ihrem Leben nach.
„Unverkrampft gehen sich viele Probleme leichter an“, erkannte eine Teilnehmerin. „Mein Ziel muss nicht immer die Mitte sein“, ergänzte eine andere. Gemeinsam hatten sich zehn Frauen und Männer im Garten des Klosters fünf Stunden lang dem Bogenschießen als Weg zur Meditation angenähert. Thekla Schönfeld (49) von den Missionsärztlichen Schwestern und die Qi-Gong- Lehrerin Cornelia Kalz, die als Assoziiertes Mitglied zu der Schwesterngemeinschaft gehört, hatten dazu eingeladen. Seit zehn Jahren üben sie, mit Pfeil und Bogen vom Alltag abzuschalten und die Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Gerne geben sie ihre Erfahrungen auch an andere weiter. Sie haben zwei große Zielscheiben aufgestellt und eine Abstandsleine auf den Grasboden gelegt. Eine Auswahl unterschiedlicher Bögen und Pfeile liegt bereit.
Ein Bogen braucht Ruhezeiten
„An- und Entspannung wechseln sich beim Bogenschießen ab und ergänzen einander“, sagt die Sonderpädagogin Schwester Thekla. Sie setzt die Rituale des Bogenschießens in Bezug zum echten Leben. Im Anlegen des Armschutzes zum Beispiel sieht sie einen Appell, gut für sich selbst zu sorgen. Bei der Auswahl des passenden Bogens kommt es darauf an, die eigene Kraft einzuschätzen. Einen Pfeil auswählen und ihn korrekt auflegen, eine aufrechte und geerdete Körperhaltung einnehmen, die Zielscheibe anvisieren, den Atemfluss spüren, die Finger richtig an der Sehne ansetzen, die Sehne anspannen und schließlich loslassen, dem Pfeil nachblicken bis zum Ziel: dieser Ablauf ist für sie ein Spiegelbild des Lebens und eine Übung, mit allen Sinnen präsent zu sein.
Langsam schreitet die Gruppe zwischen den Übungen immer wieder durch den Klostergarten. „Meditatives Gehen in Stille“ nennt Schwester Thekla das. Dabei werden die Erfahrungen beim Bogenschießen vertieft und im Austausch mit der Gruppe geteilt. Immer ruhiger und schweigsamer werden die Teilnehmer, aufnahmebereit für meditative Texte, die den fünfstündigen Workshop begleiten. Schweigend schießen sie immer neu Pfeile ab; die Mitte der Zielscheibe zu treffen ist dabei gar nicht so wichtig. Lasse ich mir genügend Zeit für alle Schritte? Wann lasse ich die Sehne los? Halte ich es aus, den anderen beim Schießen zuzuschauen? Solche Fragen gehen ihnen durch den Kopf. Innere Ruhe stellt sich dabei von selbst ein. Man freut sich, auch wenn ein anderer ins Schwarze trifft.
„Gebet hat viele Formen“, sagt die gelernte Zahnärztin Cornelia Kalz. Beim Bogenschießen zu spüren, wie in allen Kraft und das Staunen über Unerklärbares wächst, ist für sie auch Gebet. Mit ihrem Angebot richten sich die Missionsärztlichen Schwestern auch an Religionslose und Suchende. Die Nachfragen übersteigen ihre Möglichkeiten. „Das Schießen mit Pfeil und Bogen ist ein Urerlebnis des Menschen. Wer sich dieser Erfahrung wieder nähert, wird ihre Zweckfreiheit entdecken“, zitiert Schwester Thekla den amerikanischen Künstler Thomas Marcotty. Von Paulo Coelho ergänzt sie: „Ein Bogen braucht Ruhezeiten. Immer unter Spannung stehend verliert er seine Kraft.“ Diese Weisheiten haben die Teilnehmer an diesem Tag verinnerlicht.