Grußwort zur Eröffnung der Interkulturellen Woche

am 21. September 2012, 17:00 Uhr,
in der Propsteikirche St. Peter und Paul in Potsdam

Liebe Schwestern und Brüder,

„Herzlich willkommen – wer immer Du bist!“ – das Motto der Interkulturellen Woche macht es mir protokollarisch leicht.

Herzlich willkommen Ihnen allen auch im Namen des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses. Gemeinsam mit Bischof Markus Dröge und Metropolit Augoustinos, stellvertretend für die vielen beteiligten christlichen Kirchen und Gemeinden, heiße ich Sie alle herzlich willkommen.

Ich begrüße alle Gäste und all jene, die die Interkulturelle Woche seit Jahren vorbereiten und mit Leben erfüllen. „Herzlich willkommen!“, das geht uns als Begrüßung leicht über die Lippen. Bei dem Zusatz „wer immer Du bist“, komme ich ins Stocken.

Das Motto ist eine Anfrage auch an mich, wie ernst es mir damit ist. „Wer immer Du bist“, das weist darauf hin, dass wir uns vielfach nicht aussuchen können, wer kommt und warum er kommt: Vielfach sind es Menschen auf der Flucht vor existentiell bedrohlicher politischer, religiöser oder ethnischer Verfolgung.

Manche kommen als Arbeitsmigranten oder Armutsflüchtlinge. Und all denen, wer immer sie sind, rufen wir zu: „Herzlich willkommen!“ Herzlich, das meint nicht, weil es gut ist für die Renten oder gegen den Fachkräftemangel. Wie sieht eine Willkommenskultur aus, die jeden Menschen als Person mit eigener Individualität und Geschichte begrüßt – und zwar mit dem Herzen? Liegt darin nicht eine Vision von „neuem Himmel und neuer Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt?“ (Off 21) – anschaulich in kultureller Vielfalt eines friedlichen Zusammenleben? Jegliche Form kollektiver Begrüßung, Abfertigung oder Ghettoisierung ist damit ernsthaft ausgeschlossen.

Das kulturelle Miteinander einer Gesellschaft, das die persönliche Begegnung mit den Fremden, den Flüchtlingen, den Arbeitsemigranten oder dem unbegleitet Minderjährigen sucht: solch eine Gesellschaft begrüßt mit dem Herzen – und öffnet Türen.

Und „Willkommen“, das heißt, wir wollen, dass er kommt, wer immer er ist. Das ist sehr weitreichend, meine ich. „Herzlich Willkommen – wer immer Du bist!“ Nur wenn uns das ernst ist, haben die, die kommen, hier wirklich eine Chance, eine Lebensperspektive. Nur wenn uns das ernst ist, können wir über unseren Schatten springen und offen und interessiert auf die Menschen zugehen, das Fremde nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erleben. Als Christen sollte uns das leichter fallen, denn wir sollten in jedem, der zu uns kommt, Christus erkennen. Eine Wirklichkeit unseres Glaubens und ein hoher Anspruch zugleich!

Dass wir mit diesem Anspruch nicht naive Träumer sind, zeigt das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012: Es hat die sozialen Leistungen für Flüchtlinge als „evident unzureichend“ befunden und für verfassungswidrig erklärt.

Wegen der existenzsichernden Bedeutung hat es ab sofort eine Erhöhung der Leistungen in etwa auf Hartz-IV-Niveau angeordnet. Vor diesem Urteil hatte die soziale Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland jahrelang das Ziel verfolgt, Flüchtlinge abzuschrecken und ihre Lebensbedingungen möglichst unerträglich zu gestalten.

Flüchtlinge sollten sich in Deutschland nicht herzlich willkommen fühlen. „Herzlich willkommen – wer immer Du bist!“ Das Motto ist auch ein notwendiges Signal an die, die zu uns kommen. Denn sie haben meist schwerwiegende Gründe dafür. Es fällt jedem schwer, seine Heimat zu verlassen.

Ich will mich wirklich nicht mit einem Flüchtling – beispielsweise aus dem Sudan – vergleichen, aber auch mir hat das „Herzlich Willkommen!“ von vielen Menschen den Umzug sehr leicht gemacht. Für mein neues Bistum und die Katholiken hier war und ist ein „Herzlich Willkommen!“ zu jeder Zeit wichtig.

Gerade die Katholiken hier sind fast alle Zugezogene: Die ersten Katholiken nach der Reformation hierzulande waren Soldaten, die Propsteikirche St. Peter und Paul, in der wir die interkulturelle Woche eröffnen, geht in ihren Ursprüngen darauf zurück.

Danach kamen Zimmermädchen und Etagenkellner aus Schlesien, und immer mehr Menschen, die ihr Glück, ihre Rettung, Schutz und Zuflucht in Berlin suchten. Aktuell hat jeder fünfte Katholik im Erzbistum Berlin einen „Migrations-Hintergrund“ und nicht Deutsch als seine Muttersprache. In der Kirche kann es streng genommen keine Ausländer geben.

Zudem stehen wir als Christen bewusst im Dienst für alle Menschen – „suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit…“ (Mt 6,33) – ungeachtet der Herkunft, des Geschlechtes, der gesellschaftlichen Stellung. Als Kirche verbinden wir dies bewusst mit einer Option für Flüchtlinge, für Menschen ohne Lobby, für Menschen am Rande. Dieses Anliegen teilen wir mit der Interkulturellen Woche in einem breiten Bündnis von Kirchen, Kommunen, Gewerkschaften, Verbänden und Organisationen auch mit anderen Religionsgemeinschaften.

„Wenn du ein Menschenleben rettest, rettest du die ganze Menschheit“, das ist ein Zitat aus dem jüdischen Talmud. Es beschreibt die praktische Form der Nächstenliebe in einfacher und radikaler Weise. In diesem Geist wollen wir Gottesdienst feiern. Wir wissen dabei Gott in unserer Mitte und nehmen im Gebet auch die mit, denen unsere Sorge gilt, die aber heute nicht mit uns feiern können.

„Herzlich willkommen – wer immer Du bist!“