Ostern - Die Botschaft des Auferstandenen

Der  Gekreuzigte ist auferstanden von den Toten, das verkündet uns nicht nur die Frohe Botschaft, das ist die Frohe Botschaft, die die Christenheit an Ostern feiert.
Der Auferstandene selbst ist das Evangelium; denn erst als der Auferstandene macht er das Kreuz zum Siegeszeichen, die christliche Botschaft zum Eu-angelion (zur Frohen Botschaft) und die menschliche Schreckensgeschichte zur Heilsgeschichte.
Die Auferstehung Jesu aber ist nicht nur ein individuelles Geschehen. Sie ist auch ein kosmisches Ereignis, das letztlich die ganze Welt betrifft und angeht. Und darum will Ostern der Welt und der Christenheit auch sagen:

Gott ist nicht totzukriegen.

„Josef kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz, wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dann wälzte er einen Stein vor den Eingang des Grabes“, so schildert das Markus-Evangelium das traurige Geschehen nach der Kreuzigung Jesu. Doch nicht nur das Markus-Evangelium auch die anderen Evangelien berichten von dieser Tat des Josef von Arimatäa. Obwohl er Mitglied des Hohen Rates war, war er im Geheimen zu einem Jünger Jesu geworden. Darum hatte er auch dem Beschluss und dem Vorgehen des Hohen Rates nicht zugestimmt, Jesus auszuliefern und zu töten. Nach der Kreuzigung nun bat Josef den Pilatus um den Leichnam Jesu und begrub ihn in seinem eigenen Grab.
Das, was von dem frommen Josef als ein letzter Liebesdienst begriffen wurde, wollten viele andere aber schon immer als einen abschließenden Totengräberdienst verstehen.
„Wir haben Gott getötet… Gott ist tot! Gott bleibt tot! Hören wir denn noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben?“,
lässt vor etwa 150 Jahren der Philosoph Friedrich Nietzsche seinen „tollen Menschen“ durch die Straßen rufen.
Für ihn, wie für alle Totengräber Jesu ist das Grab zum letzten Versuch geworden, sich endgültig eines Gottes zu entledigen, der nicht nach dem Bild des Menschen geschaffen war. Doch auch in unseren Tagen haben jene Totengräber Gottes immer wieder Nachahmer gefunden.
Nicht wenige unserer Zeitgenossen haben Gott schon längst ad acta gelegt, in der Überzeugung, dass er heutzutage nicht mehr gebraucht würde. Ich denke dabei auch an den so kämpferischen Atheismus, der gerade in der neuesten Zeit manchen ahnungslosen Anhänger gefunden hat. Was hier versucht wird, ist eigentlich nichts anderes als die Fortsetzung der Grablegung mit anderen Mitteln.
Andere haben vor das selbstgezimmerte Grab dann den schweren Stein des Verdrängens und Vergessens gewälzt, in der Hoffnung, dass der, der darin liegt, nun endgültig am Ende sei.
Und manche Theologen haben dazu noch die Grabtücher zur Verschleierung geliefert, wenn sie meinten, die Auferstehung Jesu sei gar nicht real in einem historischen Sinne, sondern nur noch die Verkündigung oder die „Sache“ Jesu würde nach seinem Tode weitergehen.
Ostern aber belehrt uns, dass der Gekreuzigte lebt, und dass Gott eben nicht totzukriegen ist; denn der Stein war weggewälzt, das Grab war leer und die Leichentücher waren beiseite gelegt.
Der Versuch des Menschen, Gott zu begraben, mag eine Zeitlang gelingen, Bestand haben wird er niemals. Der Gott, den die Christenheit verkündet, braucht kein Grab, keine Leichenredner und keine Totenscheine.
Der Auferstandene selber macht den Totengräbern Gottes immer wieder einen Strich durch die tödliche Rechnung. Und er mahnt dazu, die Steine wegzuräumen, unter denen man Gott heute begraben will und die Leichentücher abzulegen, die den Blick für die Wahrheit verschleiern, dass Gott lebt, und er allein lebendig macht.

Der Tod ist nicht mehr tödlich

Die Kirche feiert das österliche Geheimnis als einen Dreiklang, d.h. als das sogenannte Triduum paschale. Diese drei österlichen Tage sind der Höhepunkt des gesamten Kirchenjahres. Sie beginnen mit der Abendmahlsmesse des Gründonnerstages und enden mit der Vesper des Ostersonntags. Damit aber schließt das österliche Geheimnis den Tod Jesu Christi und seine Grablegung mit ein. So macht dieser Dreiklang deutlich, wie sehr das Kreuz und die Auferstehung mit einander verbunden sind. Ja, zur frohen Botschaft, die an Ostern verkündet wird, gehört schließlich immer auch die Wahrheit, dass das Kreuz gesiegt hat.
Das Kreuz hat gesiegt – aber nicht in dem tödlichen Sinn, den ihm Menschen geben wollten, sondern in dem lebensspendenden Sinn, den ihm Gott gegeben hat.
Das Kreuz hat gesiegt – eben durch die Auferstehung; denn der Gekreuzigte ist auferstanden und erst als der Auferstandene enthüllt er das wahre Wesen des Kreuzes.
Weil das Kreuz Jesu Christi nicht mehr das Kreuz eines Totgebliebenen, sondern das Kreuz des Auferstandenen ist, ist es nicht mehr der Galgen der alten Welt – und damit ein Symbol des Todes -, sondern es ist letztlich zum Symbol der Auferstehung und des Lebens geworden. In diesem Sinn offenbart Ostern der Welt die im Tod verborgene Lebensmacht des Kreuzes. Und in diesem Sinne sind dann die vielen verherrlichenden Darstellungen Jesu am Kreuz zu verstehen.
Die Auferstehung hebt also das Kreuz nicht auf, sie bestätigt es  - aber eben in dem Sinn, den ihm Gott geben wollte: dass nämlich der Tod an ihm seine Macht verloren hat.
„Er (Christus) hat den Tod die Macht genommen“
, kann darum Paulus an Timotheus schreiben (2 Tim 1,10).
Durch den entmachteten Tod aber erweisen sich gleicherweise die Mächte des Todes und alles, was für die Kultur – oder besser Unkultur – des Todes steht als letztlich machtlos und ohnmächtig. Und so bekennt die betende Kirche am Ostersonntag zurecht: „Durch seinen Tod hat Er unseren Tod vernichtet, und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen“ (Osterpräfation I).
Das Kreuz behält also auch zu Ostern seine Aktualität; denn Kreuz und Auferstehung Jesu Christi sind aufeinander bezogen. Dies zu betonen, ist darum so wichtig, weil ja die Auferstehung den Tod zunächst nur entmachtet, nicht aber aufgehoben hat.
Auch nach Ostern feiert in dieser Welt noch der Tod das Leben. Aber er führt von jetzt ab nur noch eine letztlich ohnmächtige Existenz; denn er hat sein eigentliches Wesen eingebüßt: im endgültigen Sinne tödlich zu sein.
Da der Auferstandene die Todesmacht ein für alle Mal durchbrochen hat, ist sie nun grundsätzlich durchbrechbar geworden.
Wie am Kreuz, so führt also auch am Tod zwar kein Weg vorbei; selbst nicht für diejenigen, die glauben. Aber es führt jetzt eben ein Weg hindurch, an der Hand dessen, der nicht nur das Leben gibt, sondern das Leben ist.
Und gerade hier liegt das Befreiende der österlichen Botschaft, die allen Menschen gilt: dass nämlich von nun ab nur noch der Tod tödlich ist, der ohne den Auferstandenen gestorben wird. Das aber schafft Trost und macht Mut, nicht nur auf die Auferstehung hin zu leben, sondern auch auf die Auferstehung hin zu sterben.

Von jetzt ab ist Reden Gold

Hinter verschlossenen Türen hatten sich die Jünger nach dessen Tod am Kreuz versammelt aus Angst, dass mit dem Begräbnis ihres Herrn auch alle Ihre Hoffnungen begraben sein müssten. Hinter verschlossenen Türen fand sie der Auferstandene noch am Abend des ersten Tages der Woche.
Die Jünger also als geschlossene, ja sich selbst verschließende Gemeinschaft. Die erste Christenheit als verschwiegene und privatisierende Geheimbündler einer scheinbar unglaubhaften Religion. Das aber ist nicht Christentum nach der Auferstehung des Herrn, sondern bloß noch Religion nach dem „Tode“ Gottes.
Der auferstandene Christus erst bringt seine zurückgezogenen Nachfolger zur Einsicht – und damit zum Glauben.
Nicht der Glaube der Jünger also bewirkt Ostern, sondern Ostern bewirkt den Glauben; denn er wird ja erst von den Erscheinungen des Auferstandenen hervorgerufen.
Der Auferstandene aber bringt nicht nur die ungläubigen Augen zum Sehen, sondern zersprengt auch die verriegelten Türen und die verschlossenen Lippen. Er sendet seine ängstlichen Jünger hinaus zu den Menschen, um einen Gott zu verkünden, der lebt und Leben gibt.
Alle Erscheinungsberichte des Evangeliums enden darum letztlich in einem Sendungsauftrag. Wer Christus, dem lebendigen Gott, einmal begegnet ist, darf ihn und sein Wort niemals mehr verschweigen. Seit Ostern ist die Kirche missionarische Kirche – oder nicht mehr die Kirche des Auferstandenen. Seit Ostern darf die Kirche keine verriegelten Türen mehr kennen, keine verschwiegenen Gemeinschaften und keine verschlossenen Lippen; denn der Versuch der Tötung Gottes, beginnt zuerst immer mit dem tot-schweigen.
„Ihr seid Zeugen für mich“,
diesen Auftrag und Ermächtigung gibt der Auferstandene zunächst seinen auserwählten Aposteln und auf ihr Zeugnis hin der ganzen Christenheit. Die Jünger haben diesen Sendungsauftrag Christi verstanden und angenommen.
„Wir können nicht schweigen über das, was wir gehört und gesehen haben …“,
bekennen Petrus und Johannes dann später freimütig gegenüber dem Hohen Rat.
Wie die Jünger damals sollten alle österlichen Menschen auch heute diesen Sendungsauftrag annehmen. Gerade unsere Zeit, in der der christliche Glaube an vielen Orten verdunstet, braucht die Christus-Botschaft vom lebendigen Gott. Und weil der Glaube nur da lebt, wo er weitergegeben wird, ruft auch Papst Benedikt XVI. immer wieder auf zu einer Neuevangelisierung Europas.
Wir können und dürfen nicht schweigen – auch und gerade als Christen des III. Jahrtausends nicht; denn seit Ostern ist Schweigen Silber – und Reden ist Gold.

Die Apostelgeschichte berichtet, wie der Apostel Paulus auf dem Areopag in Athen Jesus Christus als den „unbekannten Gott“ verkündet (Apg 17, 32). Die Anwesenden hören ihm interessiert zu – bis er schließlich auf die Auferstehung zu sprechen kommt. Da verlassen ihn die Meisten, und sie schütteln mit dem Kopf.
Der Auferstandene, nicht der Gekreuzigte also ist und bleibt das eigentliche Skandalon der christlichen Religion; denn durch die Auferweckung Jesu Christi hat der Heilige Geist den Geist der Welt endgültig ab absurdum geführt.
Darum zwingt Ostern zum Um-denken (Metanoia), was seinem Sinn nach letztlich Glauben bedeutet.
Am Auferstandenen aber entscheidet es sich dann auch, ob dieser Glaube „sinnlos“ ist oder nicht, so wie Paulus in seinem 1. Brief an die Kirche von Korinth schreibt:
„Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben … Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen … und wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,14.15.22).

Weihbischof Dr. Matthias Heinrich
Diözesanadministrator